Blick in die Abstellkammer deutscher Geschichte
n-tv
Das Haus der Geschichte in Bonn sammelt seit Jahrzehnten historisch bedeutsame Objekte aus der Vergangenheit der Bundesrepublik. In einem unscheinbaren Depot werden sie aufbewahrt. Eine wichtige Sache fehlt aber noch.
Gerade ist die Anklagebank aus dem Prozesssaal von Stuttgart-Stammheim eingetroffen. Hier saßen die RAF-Terroristen Andreas Baader, Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin. Das funktionale Mobiliar sollte Transparenz, Neutralität und Nüchternheit ausstrahlen. Die Botschaft war: Die westdeutsche Demokratie setzt sich zur Wehr, aber sie tut dies ausschließlich mit rechtsstaatlichen Mitteln.
Dieses Jahr nun ist der ikonische Gerichtssaal abgerissen worden, aber einige zentrale Bestandteile - außer der Anklagebank auch das Schaltpult aus der Sicherheitsschleuse, die großen Uhren und das Drehkreuz für Prozessbesucher - hat sich das Bonner Haus der Geschichte gesichert. In einem unscheinbaren Depot in Wesseling bei Köln mit geheimgehaltener Adresse werden sie aufbewahrt. Zusätzlich zu unterirdischen Magazinräumen im Haupthaus dient es zur fachgerechten Lagerung insbesondere der Großobjekte. Auf den ersten Blick sieht es hier aus wie im Magazin eines großen Möbelhauses. Nur sind hier keine Pappkartons mit den Komponenten eines Bücherregals oder Wohnzimmerschranks eingelagert, sondern lauter symbolisch aufgeladene Hinterlassenschaften seit den Tagen von Konrad Adenauer. Es ist gleichsam das materielle Gedächtnis der Bundesrepublik. Oder respektlos gesagt: die Abstellkammer der deutschen Geschichte.
Ein überdimensionierter Pappmaché-Kopf von Langzeit-Außenminister Hans-Dietrich Genscher fällt besonders auf, weil er nicht eingepackt ist. Er stammt von einem Karnevalswagen. Eine "Bild"-Zeitung mit der legendären Schlagzeile "Wir sind Papst" wartet auf den Abtransport ins Zeitungsarchiv. Mit Spanngurten gesichert, thront ein Baumhaus aus dem Hambacher Forst in luftiger Höhe unter der Decke. Gleich daneben ruht wie eine Theaterrequisite der raketenförmige Tank eines Starfighter-Flugzeugs. Zu den größten Objekten gehören eine Vertriebenen-Hütte aus der Nachkriegszeit und ein 50 Jahre alter Zeitungskiosk aus Wuppertal, der schon zur Verschrottung vorbestimmt war.