Lee Miller - Model, Fotografin, Kriegsreporterin
n-tv
Sie wird oft "die Frau in Hitlers Badewanne" genannt oder Man Rays und Picassos Muse, aber das wird Lee Miller bei Weitem nicht gerecht. Erst eins der bekanntesten Models der 1920er-Jahre, wird sie später selbst eine großartige Fotografin und Autorin, die Mode- und Porträtaufnahmen macht, aber auch das Grauen des Krieges festhält.
Sexueller Missbrauch und sexuelle Selbstbestimmung, "Vogue"-Glamour und Modeldasein, Surrealismus und Fotokunst, Weltkriegsgrauen und KZ-Tote, freie Liebe und Eheleben, Muttersein und Kulinarik, Perfektionismus und Rebellentum - wie passt das alles in ein Leben? Es ist das Leben von Lee Miller, das so wohl nur im 20. Jahrhundert möglich war. Mit seinen Weltkriegen, den "roaring twenties" dazwischen, dem sich ändernden Bild der Frau. Ihr schier unglaubliches Leben hat Lee Millers Sohn Antony Penrose in einer Biografie beschrieben, bereits 1985 - nun ist sie auch auf Deutsch erschienen, unter dem Titel "Immer lieber woanders hin - Die Leben der Lee Miller".
Anhand von Briefen, Tagebuchaufzeichnungen, Erinnerungen von Familie und Freunden und üppig bebildert mit 116 Fotos hat Penrose ein Porträt seiner Mutter verfasst, das sie einem sehr nahebringt - er, der seiner Mutter zeit ihres Lebens nicht so besonders nahe war. Sie hatten ein eher schwieriges Verhältnis - das spürt man im Buch aber nicht. Es ist sehr warmherzig, voller Respekt und auch durchaus bewundernd formuliert, aber keineswegs unkritisch. Bemerkenswerterweise nimmt er sich selbst im Buch aber sehr zurück, schreibt nie "ich", sondern von sich immer als "Tony".
Behütet im Ort Poughkeepsie bei New York aufgewachsen, kommt die 1907 geborene Lee Miller schon als Kind mit der Fotografie in Berührung - ihr Vater Theodore war leidenschaftlicher Hobbyfotograf mit eigener Dunkelkammer. Neben moderner Technik sein liebstes Motiv: seine Tochter Elizabeth, genannt Lee. Er macht von ihr auch Aktaufnahmen, bis in die Jugend- und Erwachsenenzeit hinein. Mit sieben Jahren hat sie ein traumatisches Erlebnis: Ein "Freund der Familie" missbraucht sie sexuell und steckt sie mit einer Geschlechtskrankheit an. Im Teenageralter schließlich stirbt ihre Jugendliebe quasi vor ihren Augen - als Reaktion darauf verwöhnen ihre Eltern sie besonders. Vielleicht ein Grund für ihr rebellisches Wesen mit dem Glauben, sich wirklich alles erlauben zu können.