"Die meisten sind völlig verunsichert und überfordert"
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Das Heizungsgesetz der Ampel sorgt nicht nur in der Politik für Unruhe. Viele Hauseigentümer blicken voller Sorge auf dessen praktische Auswirkungen. Im Interview berichtet der Energieberater Stefan Bolln von seinen Erfahrungen. Er ist Vorsitzender der Interessenvertretung für Energieberater in Deutschland und Schatzmeister der SPD Schleswig-Holstein. Er arbeitet als Energieberater und Schornsteinfeger in Norddeutschland.
Herr Bolln, die Politik ringt noch um die Ausgestaltung des geplanten Gebäudeenergiegesetzes, viele Hauseigentümer blicken aber schon voller Sorge auf dessen praktische Auswirkungen. Was erleben Sie gerade bei Ihrer Arbeit als Energieberater?
Stefan Bolln: Die meisten Menschen sind völlig verunsichert und mit der Situation überfordert. Das ist auch die Schuld der Politik. Das Problem ist, dass es nicht nur um die Kosten geht, die mit einer neuen Heizung verbunden sind, sondern es findet auch ein Systemwechsel statt. Die meisten hatten jahrzehntelang Öl- oder Gasheizungen und können sich gar nicht vorstellen, dass erneuerbare Energien bei ihnen zu Hause funktionieren sollen. Man muss den Bürger und Heizer da mitnehmen.
Wie blicken Sie vor dem Hintergrund auf den Streit in der Ampel-Koalition?
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck steht politisch unter Druck, sein Ministerium habe die Öffentlichkeit falsch informiert, um den Atomausstieg Deutschlands zu besiegeln. Er verweist darauf, die Energie-Industrie sei mit ihm auf einer Linie gewesen. Dem widerspricht nun der Ex-Aufsichtsratsvorsitzende von Eon im ntv-Interview.
Bereits in diesem Monat soll das umstrittene Flüssiggasterminal im Hafen von Mukran auf Rügen seinen Regelbetrieb aufnehmen. Vom Bekanntwerden der Pläne bis zur vollständigen Fertigstellung sind keine zwei Jahre vergangen. Davon können viele Solar- und Windprojekte nur träumen - speziell in Mecklenburg-Vorpommern. Deutschlandweit sind gut 30 sogenannte Untätigkeitsklagen wegen verschleppter Genehmigungen für den Bau von Windkraftanlagen bekannt. Der Nordosten sticht mit 19 Klagen hervor. "Neue Windparks stoßen gerade in Westmecklenburg nicht nur auf Sympathie", sagt Thomas Banning im "Klima-Labor" von ntv. Der Geschäftsführer von NaturEnergy spricht aus eigener Erfahrung: Seit mehr als zehn Jahren versucht er, mit der Gemeinde Wöbbelin fünf Windräder zu bauen. An den beteiligten Ämtern lässt Banning kein gutes Haar. Die Untere Naturschutzbehörde verweigert die Mitarbeit, das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umweltschutz nutzt seine Macht lieber für fossile Projekte. Nachdem auch für Wöbbelin Klage eingereicht wurde, liegt die Genehmigung inzwischen vor. Die Windräder können trotzdem nicht gebaut werden, das Verfahren beginnt von vorn.