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Wie ein Song, der niemals losgeht

Wie ein Song, der niemals losgeht

Süddeutsche Zeitung
Saturday, February 12, 2022 11:55:35 AM UTC

Die Sammlung Goetz stellt in der Münchner Bar Unter Deck Videokunst zum Thema Clubkultur aus.

Ein schneller, treibender Elektrobeat, der an die frühen Achtziger, aber auch den Technosound der Neunziger erinnert. Dazu Scheinwerfer, die sich drehen, zuckende Blitze eines Stroboskoplichts und bunte Lichtreflexe, die von einer Diskokugel herstammen. Jetzt fehlen nur noch tanzende, schwitzende Körper, und die Zutaten für eine heiße Clubnacht wären perfekt. Aber genau dieses Versprechen will und will sich in "Lights (Body)" nicht einlösen. Stattdessen bleibt die Kamera im Video von Wolfgang Tillmans an den mechanischen Bewegungen der Lichter haften. Auch die Musik klingt wie ein ewiges Vorspiel, wie das Intro eines Songs, der niemals losgeht. Und so wippt man gespannt mit - und bleibt am Ende doch in seinen Erwartungen gefangen.

Ein Sinnbild für die Corona-Zeit? Das könnte man meinen. Aber die Arbeit von Wolfgang Tillmans ist vor mehr als 20 Jahren entstanden. Der deutsche Fotograf und Turner-Preiträger hat das Video im Jahr 2000 während einer regulären Clubnacht an einem Samstag gedreht. Solche Nächte hat es auch im Unter Deck gegeben. Einer Bar, die sich unweit vom Marienplatz in der Münchner Altstadt befindet und wie alle Bars und Clubs in der Pandemie fast durchgehend geschlossen war. Jetzt hat das Unter Deck, an dessen beschrifteten Wänden und durchgesessenen Ledersofas sich die Spuren vergangener Nächte abzeichnen, wieder offen. Aber zu ungewohnten Zeiten. Und anstatt selbst zu tanzen und zu feiern, kann man dort in Videos anderen Menschen dabei zusehen.

Mit "Pleasure Beach" ist die von Cornelia Gockel kuratierte Ausstellung betitelt, in der einen Monat lang Videos aus der Münchner Sammlung Goetz laufen, die sich mit der Clubkultur von den Achtzigern bis in die Zweitausenderjahre beschäftigen. "Lights (Body)" von Tillmans läuft auf der Wand hinter der kleinen Bühne. Die anderen vier Arbeiten der kleinen, aber intensiv und stimmig geratenen Schau verteilen sich quer durch den Raum. Den Beginn macht Seth Prices Computeranimation "Köln Waves/Blues" (2005/2008), die auf einem Holztisch gleich gegenüber dem Eingang auf einem Flatscreen läuft. Sie zeigt eine graue, künstliche Welle, die sich im immer gleichen Rhythmus aufbaut. Setzt man den davor liegenden Kopfhörer auf, hört man verfremdete Fragmente einer Blues-Session.

"Fiorucci Made Me Hardcore": Mark Leckey kombinierte in seiner Arbeit von 1999 Club-Material von den Siebzigern bis Neunzigern und verfremdete es digital.

Die Grundlage der Arbeit ist ein sechs Sekunden dauernder Bildschirmschoner, den Seth Price bearbeitet und auf zwölf Minuten ausgedehnt hat. Da in den letzter Zeit geradezu inflationär von Wellen die Rede war, muss man auch hier gleich an Corona denken und bekommt innerlich den Blues. Schräg gegenüber in einer Nische ist an der Wand "Fiorucci Made Me Hardcore" (1999) von Mark Leckey zu sehen. Der britische Künstler hat darin Found-Footage-Material aus der Underground-Club-Szene Großbritanniens aus den Siebzigern bis Neunzigern kombiniert und digital verfremdet. Man sieht junge Menschen, die sich in einer großen Halle kollektiv im Disco-Dance üben. Dann folgen eine Northern-Soul-Party und Techno-Raves, und am Ende sieht man einen Wolkenhimmel. Szenen, die nostalgisch machen, die teilweise skurril, aber durch die Verfremdungen auch albtraumhaft wirken.

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