Unsichere Fed drückt Stimmung an der Wall Street
n-tv
US-Anleger klebten einmal mehr an den Lippen von Fed-Chef Powell. Doch der vermied weiterhin einen klaren Pendelausschlag. Man wolle die Wirkung der Zinserhöhungen beobachten. Damit ist das Thema Anhebung nicht vom Tisch, wahrscheinlicher geworden ist sie aber auch nicht.
Die Rede des US-Notenbankchefs Jerome Powell hat die Stimmung an der Wall Street getrübt. Der Dow-Jones-Index der Standardwerte schloss 0,8 Prozent tiefer auf 33.414 Punkten. Der technologielastige Nasdaq gab rund ein Prozent auf 13.186 Punkte nach. Der breit gefasste S&P 500 büßte 0,8 Prozent auf 4278 Punkte ein. "Powell bewegt sich weiterhin auf der Mittellinie zwischen Falke und Taube. Die Fed ist sich immer noch nicht sicher, ob sie genug getan hat", resümierte Marktstratege David Russell von TradeStation.
Der Vorsitzende der US-Notenbank Fed sagte bei einem an den Finanzmärkten mit Spannung erwarteten Auftritt in New York, es sei Geduld gefragt, um zu sehen, wie die seit Anfang vorigen Jahres vollzogenen rasanten Zinserhöhungen wirkten. Die Analysten zeigten sich allerdings gelassen. "Powell hielt sich zwar den Rücken für künftige Zinserhöhungen frei, änderte aber nichts an der Einschätzung, dass die US-Notenbank die Zinsen bei ihrer nächsten Sitzung und wahrscheinlich auch für den Rest des Jahres unverändert lassen wird", sagte etwa Chris Zaccarelli von Independent Advisor Alliance.
Am Bondmarkt kehrten die Anleger Staatsanleihen den Rücken angesichts der Aussicht auf weiter hoch bleibende Zinsen. Die Kurse fielen, im Gegenzug ging es bei den Renditen weiter aufwärts. Die zehnjährigen US-Treasuries rentierten zeitweise mit 4,996 Prozent nach 4,902 Prozent am Vortag. Damit kratzte die Rendite an der Marke von fünf Prozent, die zuletzt 2007 überwunden wurde. "Wird die Fünf-Prozent-Marke letztendlich überschritten werden? Ich denke, die Antwort lautet ja, und dies wird wiederum zu noch mehr Volatilität führen", sagte Russell Hackmann, Präsident des Finanzdienstleisters Hackmann Wealth Partners. Der Zinssatz der US-Staatsanleihe ist nicht nur für die Refinanzierungskosten des Staates eine wichtige Größe. Auch viele Verbraucher- und Firmenkredite richten sich daran aus.
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Von Kreditnehmern ersehnt, von Sparern befürchtet: Die Euro-Währungshüter steuern nach einer Serie von Zinserhöhungen im Kampf gegen die Inflation auf eine erste Zinssenkung zu. Volkswirte und Analysten rechnen fest damit, dass der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) heute eine Verringerung der Leitzinsen um 0,25 Prozentpunkte beschließen wird.