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Streit um Sanktionen gegen polnische Justizreform

Streit um Sanktionen gegen polnische Justizreform

ProSieben
Tuesday, September 07, 2021 08:44:30 PM UTC

Die EU-Kommission beantragt Sanktionen aufgrund der eingeführten Disziplinarkammer in Polen. Warschau soll so zur Einhaltung von EU-Recht bewegt werden.

Die EU-Kommission verschärft mit einem Antrag auf finanzielle Sanktionen gegen Polen ihr Vorgehen gegen die Justizreformen des Landes. Hintergrund ist insbesondere die fortgesetzte Tätigkeit der Disziplinarkammer zur Bestrafung von Richtern, wie die Brüsseler Behörde am Dienstag mitteilte. Sie ist nach Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs nicht mit EU-Regeln zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz vereinbar. "Die jüngsten Urteile des Europäischen Gerichtshofs (...) wurden in Polen nicht vollständig umgesetzt", erklärte die zuständige Vizekommissionspräsidentin Vera Jourova zur Beantragung der Finanzsanktionen. Deswegen gehe man nun den nächsten Schritte, um der Situation Rechnung zu tragen. "Die Justizsysteme in der gesamten Europäischen Union müssen unabhängig und fair sein", kommentierte Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Polens Justizminister Zbigniew Ziobro rügte den Schritt der EU-Kommission mit scharfen Worten. "Unter dem Vorwand des Rechts haben wir es hier mit einer Aggression gegen Polen zu tun", schrieb Justizminister Zbigniew Ziobro am Dienstag auf Twitter. Man könne das nur in diesen Kategorien kommentieren, als "juristischen hybriden Krieg", schrieb Ziobro weiter.Über den Antrag auf finanzielle Sanktionen muss nun der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheiden. Ihre Höhe könnte sich theoretisch auf ein tägliches Zwangsgeld in sechsstelliger Höhe belaufen. In einem anderen Fall hatte der EuGH Polen 2017 eine Strafzahlung in Höhe von mindestens 100 000 Euro pro Tag angedroht. Damals hatte der Gerichtshof Polen angewiesen, die Abholzung des geschützten Urwalds Bialowieza einzustellen. Wann die EU-Kommission mit einer Entscheidung im aktuellen Fall rechnen kann, wollte der EuGH am Dienstag nicht sagen. Ein Sprecher wies auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur allerdings darauf hin, dass Entscheidungen in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in der Regel sehr zügig ergehen.Die Kommission hatte der nationalkonservativen PiS-Regierung in Warschau zuletzt ein Ultimatum bis Mitte August gesetzt, um eine weitere Eskalation des Streits zu verhindern. Davor hatte der EuGH Mitte Juli geurteilt, dass Polen mit der Disziplinarkammer gegen europäisches Recht verstößt. Zudem wurde das Land mit einer einstweiligen Anordnung aufgefordert, die Bestimmungen auszusetzen, mit denen die Disziplinarkammer ermächtigt wird, über Anträge auf Aufhebung der richterlichen Immunität sowie über Fragen zur Beschäftigung und Pensionierung von Richtern zu entscheiden. Der Beschluss betraf zudem noch weitere Bestimmungen des polnischen Rechts, die die Unabhängigkeit von Richter betreffen. Polen hatte daraufhin angekündigt, dass die umstrittene Disziplinarkammer in ihrer derzeitigen Form abgeschafft werden soll. Sie arbeitet derzeit aber noch weiter alte Fälle ab. Nach Angaben der Nachrichtenagentur PAP gab es bei der Kammer im August 66 bereits laufende Verfahren gegen Richter, davon 19 Disziplinarverfahren und 24 Verfahren um die Aufhebung der richterlichen Immunität. Erst am Montag stand ein solches Verfahren gegen einen Richter des Obersten Gerichtshofs auf der Agenda der Kammer. Die Sitzung wurde jedoch abgesagt, da einer der zuständigen Richter abwesend war. Wie aus der Webseite des Obersten Gerichtshofes hervorgeht, sind in den kommenden Wochen weitere Sitzungen der umstrittenen Kammer geplant.Sie galt bislang als das Herzstück der von der PiS-Regierung initiierten Justizreformen. Die Kammer kann jeden Richter oder Staatsanwalt entlassen. Kritiker befürchten, sie könne dazu dienen, Richter für unliebsame Entscheidungen zu maßregeln.
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