Nachhaltige Atomkraft? Ampel sucht gemeinsame Linie zu EU-Plänen
ProSieben
Für Anleger und Investoren kann es ein wichtiger Anreiz sein: das Siegel, dass eine bestimmte Technologie klimafreundlich ist. Bei Energie aus Wind und Sonne ist das wenig strittig. Doch die EU-Kommission denkt darüber hinaus. Das löst Diskussionen aus.
Die Ampel-Parteien suchen eine gemeinsame Haltung im Umgang mit den Vorschlägen der EU-Kommission zur indirekten Förderung moderner Atom- und Gaskraftwerke. Zwar sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag in Berlin, die vorgeschlagenen Kriterien zur Einstufung von Gaskraftwerken als klimafreundlich seien "im Einklang mit der Position der Bundesregierung" - auch wenn es die Kriterien eigentlich nicht gebraucht hätte. Die Bundesregierung werde den Vorschlag nun prüfen und zu einer abgestimmten Position kommen. Widerspruch kam jedoch prompt von Grünen-Politikerinnen.
Nach einem Vorschlag der EU-Kommission sollen Investitionen in neue Gaskraftwerke insbesondere auf Wunsch Deutschlands übergangsweise als klimafreundliche eingestuft werden können. Auch Investitionen in neue Atomkraftwerke - vor allem in Frankreich geplant - sollen unter bestimmten Bedingungen als grün klassifiziert werden können. Diese im Fachjargon Taxonomie genannte Einstufung von Wirtschaftstätigkeiten soll mehr Geld in nachhaltige Technologien und Unternehmen lenken und so wesentlich zur Klimaneutralität Europas bis 2050 beitragen. Während Frankreich auf Atomkraft setzt, steigt Deutschland bis Ende 2022 aus der Technologie aus und schrittweise auch aus der Kohle.
Die Einschätzungen der EU-Kommission zur Atomkraft lehne die Bundesregierung ausdrücklich ab, sagte Sprecher Hebestreit. Das ist zwischen den Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP nicht strittig. Die energiepolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Ingrid Nestle, sagte dem "Handelsblatt": "Als Grüne können wir dem Vorschlag der EU-Kommission nicht zustimmen. Atomkraft kann niemals nachhaltig sein." Ihre Fraktionskollegin Lisa Badum zeigte sich indes skeptisch auch mit Blick auf die Vorschläge zu Gaskraftwerken: "Zwar sind nun strengere Auflagen für Gas und ab 2035 nur noch die Verwendung von kohlenstoffarmen Gasen vorgesehen, dennoch müssen wir wachsam bleiben, da es sich um klimaschädliches Erdgas handelt." Sie sei wenig optimistisch, dass der Vorschlag zustimmungsfähig sei.
Eine explizite Zustimmung wäre aber auch gar nicht nötig. Vielmehr müsste eine deutliche Mehrheit unter den EU-Staaten oder im Europaparlament gegen die Pläne zustande kommen, um sie zu verhindern. Solch eine Mehrheit gilt als unwahrscheinlich, da sich neben Deutschland lediglich Länder wie Österreich, Luxemburg, Dänemark und Portugal klar gegen eine Aufnahme der Atomkraft aussprechen und auch eine ausreichend große Mehrheit gegen die geplanten Gasregeln nicht in Sicht ist. Die EU-Mitgliedstaaten haben zunächst bis zum 12. Januar Zeit, den Entwurf zu kommentieren.