Holocaust-Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus
ProSieben
Am 27. Januar gedenkt Deutschland den Opfern der Nationalsozialisten. Die Überlebende Inge Auerbacher ruft ins Gedächtnis, dass das Grauen nie vergeht. Erstarrt die Erinnerungskultur?
Ruhig und gefasst erzählte Inge Auerbacher noch einmal ihre Geschichte. "Ich bin ein jüdisches Mädel aus dem badischen Dorf Kippenheim", sagte die 87-jährige Holocaust-Überlebende am Donnerstag unter der Kuppel des Reichstagsgebäudes. Auch nach Jahrzehnten in ihrer neuen Heimat New York hat Auerbacher einen freundlichen badischen Akzent, sie spricht von Versöhnung und gegen den Hass. Aber ihr Blick zurück nach Kippenheim ist erschütternd. "Ich war das letzte jüdische Kind, das dort geboren wurde."
Der Bundestag erinnerte zum Holocaust-Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus, die Spitzen des Staates waren versammelt. 77 Jahre nach der Befreiung des NS-Vernichtungslagers Auschwitz am 27. Januar 1945 wird inzwischen viel debattiert über die richtige Erinnerungskultur - der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, warnte gerade erst vor einer Erstarrung in "Formeln und Ritualen". Auerbachers Rede aber hatte nichts Formelhaftes. Sie sprach von einem Grauen, das nicht vergeht.
Nur 25 Minuten reichten der alten Dame, ihren unfassbaren Lebensweg zu schildern. Der unfreiwillige Umzug aus Kippenheim zu ihren Großeltern, die Zwangsarbeit der Eltern, der elend lange Weg zur einzigen jüdischen Schule in Stuttgart, die Verhöhnung durch den gelben Judenstern. 1942 wurde die Familie ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert, wo sie zusammengepfercht mit Tausenden anderen, mit Ratten und Ungeziefer, mit Krankheiten und Hunger lebte. "Die wichtigsten Wörter waren für uns Brot, Kartoffeln und Suppe. Das ganze Leben drehte sich um Essen."
Als eines Tages ihre Spielgefährtin Ruth mit ihren Eltern weiter gebracht wurde nach Auschwitz, schworen sich die beiden Mädchen, sich später einmal gegenseitig zu besuchen. "Liebe Ruth, ich bin hier in Berlin, um dich zu besuchen", rief Inge Auerbacher im Bundestag, den Tränen nah. Doch Ruth wurde ermordet in einer der Gaskammern in Auschwitz. "Sie erlebte noch nicht einmal ihren zehnten Geburtstag."
Die Familie Auerbacher hingegen wurde 1945 in Theresienstadt von der Roten Armee befreit. 1946 wanderte sie aus nach New York, wo Inge Auerbacher jahrelang mit Krankheiten als Folge des Lagers kämpfte. Auch die ließ sie schließlich hinter sich. Sie ging doch noch zur Schule, studierte und arbeitete jahrzehntelang als Chemikerin.
