Europa öffnet, Deutschland debattiert
Süddeutsche Zeitung
Schweden, Finnland, Großbritannien - immer mehr Länder lockern ihre Corona-Einschränkungen. In Deutschland wird noch vor allem geredet. Wer dabei wie argumentiert, zeigt ein Überblick.
In Großbritannien und Schweden sind die Corona-Einschränkungen aufgehoben worden, in Norwegen sind viele gelockert worden, Tschechien und Finnland gehen in den kommenden Wochen einen ähnlichen Weg. Und in Schweden ist es nächste Woche soweit. "Es wird Zeit, Schweden wieder zu öffnen", sagt Ministerpräsidentin Magdalena Andersson.
Und in Deutschland? Da streitet man sich vor allem, auch in der Bundesregierung. Wegen der verhältnismäßig niedrigen Impfquote sei es zu früh, solche Schritte zu gehen, argumentiert Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Er will nicht nur nicht lockern, er will noch nicht einmal über mögliche Lockerungen sprechen - trotz gegenteiliger Rufe aus vielen Bundesländern und deutlichen Forderungen selbst im eigenen Kabinett. Die Standpunkte im Originalton:
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD): "Die Lage ist nicht danach. (...) Ich glaube, wir machen das, was für die Bürgerinnen und Bürger in diesem Lande richtig ist: nämlich dafür zu sorgen, dass wir möglichst viele Leben und möglichst viel Gesundheit schützen durch diese Maßnahmen, die wir auf den Weg gebracht haben (...). Und gleichzeitig ist das die Voraussetzung dafür, dass wir auch, wenn wir den Höhepunkt der Infektionen hinter uns haben werden, dann über Lockerungsschritte entscheiden und beraten können. Aber da sind wir leider noch nicht angekommen." (Heute-Journal, 2. Februar)
Das sieht sein Koalitionspartner, FDP-Chef Christian Lindner, anders: "Wir haben die Omikron-Welle zwar noch nicht hinter uns, aber wir müssen schon jetzt konkret daran arbeiten, wann und unter welchen Bedingungen es zu schrittweisen Öffnungen kommen kann. Die nächste Bund-Länder-Runde im Februar sollte sich damit beschäftigen. (...) Man kann Einschränkungen rasch beschließen, das Hochfahren benötigt aber Vorbereitung." (Spiegel, 31. Januar) Am Donnerstag schob Lindner - wohl auch als Antwort auf Scholz - über Twitter nach: "In der Überwindung der Corona-Pandemie brauchen wir nicht die strengsten, sondern die effektivsten Vorschriften. 2G-Zugangsregeln belasten den Handel, ohne aber unmittelbaren Gesundheitsschutz zu gewährleisten." Dazu muss man freilich wissen: In vielen Bundesländern ist die 2G-Regel durch Gerichte oder durch die Landesregierungen schon wieder gekippt worden.
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sekundiert: "Darüber hinaus müssen wir uns jetzt schon die Frage stellen, ob bestimmte Freiheitseinschränkungen in der derzeitigen Situation, in der eine Zunahme von Corona-Erkrankten auf den Intensivstationen trotz steigender Fallzahlen ausbleibt, noch wirkungsvoll und verhältnismäßig sind." (dpa, 3. Februar)