"Es gibt hier viel Dreck"
Süddeutsche Zeitung
Die Kritik daran, wie der emeritierte Papst Benedikt XVI. mit den Vorwürfen gegen ihn im Zusammenhang mit Missbrauchsfällen umgeht, reißt nicht ab. Sein Privatsekretär Gänswein sieht das als eine Kampagne.
Der emeritierte Papst bittet um Entschuldigung - doch einen Tag nach dem "Mea Culpa" von Benedikt XVI. in der Missbrauchsdebatte sind deutsche Katholiken und sogar Bischöfe enttäuscht. Sein Privatsekretär Georg Gänswein kämpft derweil um den Ruf und das Erbe des emeritierten Papstes. Er beklagt eine Kampagne gegen diesen und spricht von "viel Dreck".
Während der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, Benedikts Bitte um Entschuldigung am Dienstag noch begrüßt hatte, sagte der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck der katholischen Zeitung Neues Ruhrwort: "Ich befürchte, dass die Erklärung den Betroffenen in ihrem Aufarbeitungsprozess wenig weiterhelfen kann." Opfer sexueller Gewalt hätten sich beim Interventionsbeauftragten des Bistums gemeldet und "enttäuscht und teilweise auch entrüstet" auf Benedikts Äußerungen reagiert.
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken wertete die Ausführung des 94-Jährigen vom Dienstag als zu vage und allgemein. "Die Empathie gegenüber den Betroffenen fehlt", sagte ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Die zweite Reaktion von Papst Benedikt überzeugt leider nicht."
In der Erklärung des emeritierten Papstes zum Missbrauchsskandal ist viel von Schuld und Scham die Rede. Vor allem aber ist das Papier ein erschütterndes Dokument der Entfremdung - und damit ein weiteres Symptom dieser Krise. Kommentar von Joachim Käppner
Am Dienstag hatte Joseph Ratzinger, der als Papst den Namen Benedikt XVI. trägt, persönlich zu dem am 20. Januar vorgestellten Gutachten über Missbrauch im Erzbistum München und Freising Stellung genommen und eine Mitschuld der kirchlichen Verantwortlichen eingeräumt. In einem zweieinhalbseitigen Brief äußerte er "tiefe Scham" und eine "aufrichtige Bitte um Entschuldigung gegenüber allen Opfern sexuellen Missbrauchs". In dem Gutachten wird Benedikt aus seiner Zeit als Erzbischof von München und Freising (1977-1982) Fehlverhalten vorgeworfen. Empörung löste aus, dass er in seiner Stellungnahme für das Gutachten abstritt, 1980 an einer brisanten Sitzung der Kirchenleitung teilgenommen zu haben. Die Gutachter warfen ihm vor, die Unwahrheit zu sagen - erst einige Tage später räumte er ein, doch dabei gewesen zu sein, und sprach von einem Fehler "bei der redaktionellen Bearbeitung" seiner Stellungnahme.