Bundesverfassungsgericht: Pflege-Impfpflicht ist rechtens
ProSieben
Seit zwei Monaten gilt die Corona-Impfpflicht in Pflege, Praxen und Kliniken. Sie hat eine Welle an Verfassungsbeschwerden ausgelöst. Das Bundesverfassungsgericht hat nun nach intensiver Prüfung eine eindeutige Entscheidung verkündet.
Die Corona-Impfpflicht für das Pflege- und Gesundheitspersonal ist rechtens. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat eine Verfassungsbeschwerde gegen die sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht zurückgewiesen. Politiker wie Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) begrüßten die Entscheidung am Donnerstag. Patientenschützer äußerten aber Zweifel, ob die einrichtungsbezogene Impfpflicht den bestmöglichen Infektionsschutz bieten könne.
Das höchste deutsche Gericht argumentierte bei seiner Entscheidung, der Schutz sogenannter vulnerabler Gruppen wiege verfassungsrechtlich schwerer als die Beeinträchtigung der Grundrechte für Mitarbeitende im Pflege- und Gesundheitsbereich. Zwar liege ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit vor. Dennoch bleibe alternativ nur, den Beruf nicht mehr auszuüben oder den Arbeitsplatz zu wechseln. Doch die Abwägung des Gesetzgebers, «dem Schutz vulnerabler Menschen den Vorrang vor einer in jeder Hinsicht freien Impfentscheidung» zu geben, sei nicht zu beanstanden. (Az. 1 BvR 2649/21, Beschluss vom 27. April 2022)
Auch die weitere Entwicklung des Pandemieverlaufs ist der Mitteilung zufolge kein Grund, von der Beurteilung abzuweichen. Angehörte Fachgesellschaften seien der Meinung, dass die Krankheitsverläufe im Zuge der Omikron-Variante des Coronavirus zwar im Schnitt milder seien und die Wirksamkeit der Impfstoffe im Vergleich zu früheren Virusvarianten abnehme - sich «die Zusammensetzung der Risikogruppen und ihre grundsätzlich höhere Gefährdung aber nicht verändert habe».
Lauterbach sieht sich durch die Entscheidung bestätigt: «Der Staat ist verpflichtet, vulnerable Gruppen zu schützen», teilte er mit. Der Minister bedankte sich bei allen Einrichtungen, die diese Impfpflicht umgesetzt haben. «Sie haben großen Anteil daran, dass es in der schweren Omikronwelle nicht noch mehr Todesfälle gegeben hat.»
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, verwies darauf, dass trotz Impfung keine sterile Immunität bestehe. «Eine effiziente Methode wäre ein verpflichtendes Testregime für das Personal in medizinisch-pflegerischen Einrichtungen», sagte er. «Denn mit täglichen Tests vor Dienstbeginn ohne Ausnahme ist es möglich, das Virus noch vor der Tür zu stoppen.» Die einrichtungsbezogene Impfpflicht bleibe zudem eine administrative und arbeitsrechtliche Baustelle. «Schon die Datenlage ist unzureichend. Schließlich werden genesene und geimpfte Mitarbeiter nicht getrennt erfasst.»