Wie die Nato ihren Osten schützt
Süddeutsche Zeitung
Staaten des Militär-Bündnisses verlegen Einheiten nach Osteuropa, in die Ostsee oder ins Schwarze Meer. Auch Schweden und Finnland reagieren auf die Bedrohung durch Russland.
Auf den ersten Blick war es ein ungewöhnlicher Anlass, bei dem Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg erläuterte, wie das Verteidigungsbündnis seine militärische Präsenz in Osteuropa verstärkt. So wird Dänemark eine Fregatte in die Ostsee entsenden und Kampfflugzeuge nach Litauen verlegen. Die Niederlande schicken Jets nach Bulgarien, einen ähnlichen Schritt erwägt auch Spanien, das bereits ein Kampfschiff ins Schwarze Meer geschickt hat. Und im Mittelmeer stellen die USA erstmals seit Jahrzehnten wieder einen Flugzeugträger unter Nato-Kommando.
Als Stoltenberg diese Maßnahmen am Montagabend in der Nato-Zentrale aufzählte, standen neben ihm die Außenminister von Schweden und Finnland. Ihre Länder gehören nicht der Nato an, aber ihre enge Kooperation mit der Allianz ist noch viel enger geworden. Der Grund ist der gleiche, der zu den Verlegungen führt: Seit fast einem Jahr verlegt Russland Truppen und Material an die Grenzen zur Ukraine. Aktuell sind es nach Ansicht westlicher Geheimdienste mindestens 106 000 kampfbereite russische Soldaten - und viele Tausende sind noch unterwegs.
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Auf die Einladung Stoltenbergs, weitere Treffen des Nato-Russland-Rates abzuhalten, hat Moskau bislang nicht reagiert. Der Norweger erneuerte in der Pressekonferenz die Bereitschaft zum Dialog und betonte, dass es sich um "eine defensive Maßnahme" handele: "Die Nato bedroht Russland nicht." Zugleich bleibe es dabei, dass die Allianz anders als von Russland kurz vor Weihnachten gefordert, kein Versprechen ablegen werde, keine neuen Mitglieder aufzunehmen. In Richtung seiner Gäste sagte Stoltenberg: "Finnland und Schweden entscheiden, welchen Weg sie einschlagen. Nicht Russland und auch sonst niemand."
Aktuell stehe ein Nato-Beitritt nicht an, sagten die Schwedin Ann Linde und der Finne Pekka Haavisto. Die Sorge über Russlands Verhalten, das nach Ansicht Stoltenbergs eine reale Kriegsgefahr birgt, sei jedoch groß, so Haavisto. Schweden hatte zuletzt seine militärische Präsenz auf der Ostsee-Insel Gotland verstärkt, nachdem zahlreiche russische Aktivitäten beobachtet wurden. Laut Linde hat Schweden sein Verteidigungsbudget seit 2014 um 80 Prozent erhöht - als Reaktion auf Russlands Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim.