Argentinien will Zinsen auf 97 Prozent erhöhen
n-tv
Die Angst vor einer neuen Staatspleite geht um: Im Kampf gegen die Hyperinflation greift Argentinien zu immer krasseren Notmaßnahmen. Sie sollen den wirtschaftlichen Kollaps offenbar nur noch wenige Monate hinauszögern.
Erfahrungen mit dem wirtschaftlichen Armageddon hat Argentinien reichlich. Bereits neunmal ist das südamerikanische Land seit der Unabhängigkeit von Spanien im 19. Jahrhundert in die Zahlungsunfähigkeit geschlittert. An zweistellige Inflationsraten, Preiskontrollen, brennende Banken und Geierfonds, die rund um die Welt die Schiffe der argentinischen Marine jagen, um Schulden einzutreiben, hat man sich längst gewöhnt. Doch das, was die Regierung in Buenos Aires nun vorhat, klingt selbst für argentinische Verhältnisse extrem verzweifelt.
Nach übereinstimmenden Medienberichten will Wirtschaftsminister Sergio Massa ein neues Paket radikaler Sofortmaßnahmen verkünden, um den drohenden Zusammenbruch des Peso noch irgendwie aufzuhalten. Laut Beamten des Wirtschaftsministeriums, die "Bloomberg" und die "Financial Times" (FT) zitieren, will die argentinische Zentralbank unter anderem die Zinsen um 600 Basispunkte auf phantastische 97 Prozent anheben. Zudem wollen die Währungshüter noch aktiver auf dem Devisenmarkt intervenieren, um den Verfall der Landeswährung zu stoppen. Sie hat seit Beginn des Jahres bereits mehr als ein Drittel ihres Wertes gegenüber dem Dollar verloren.
Faktisch kratzt Massa damit die letzten Reserven des Landes zusammen, um den drohenden Kollaps abzuwenden. Denn dass Argentiniens Währungshüter die Zinsen in solch astronomische Höhen schrauben müssen, liegt an der noch höheren Inflation: Sie erreichte im April sagenhafte 109 Prozent - den höchsten Stand seit 1991. Schon seit 2010 liegt die Teuerung konstant über 10 Prozent, seit der letzten Staatspleite 2020 kletterte sie unaufhaltsam immer weiter über 50 Prozent.
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