Antisemitische Strukturen überwinden
ZDF
Der Anschlag von Halle 2019 richtete sich gegen jede Minderheit in Deutschland. Antisemitismus steckt fest in Menschen und Strukturen.
Der Anschlag in Halle, Übergriffe auf dem Sportplatz, Antisemitismus an Schulen, antisemitische Verschwörungsmythen bei Corona-Protesten, alltägliche Mikroaggressionen. Die Liste antisemitischer Vorfälle ist lang.
Ich werde oft gefragt, was Antisemitismus denn sei. Diese Frage irritiert mich. Wie kann das sein, dass einige Jahrzehnte nach der Shoah, der Verfolgung und Vernichtung von jüdischen Menschen, ihren Familien, ihren Gemeinden, antisemitische Bilder, antisemitische Sprache, antisemitische Aggressionen von Freund*innen, Lehrkräften, Nachbar*innen, Krankenschwestern, Beamt*innen, Polizist*innen übersehen, verrätselt und wegimaginiert werden? Wie kann es sein, jüdische Menschen selbst hier darum ringen müssen, dass die Relevanz der gegen sie gerichteten Aggression erkannt und ernstgenommen wird? Warum braucht es einen rechtsterroristischen Anschlag auf die Synagoge, die alamierenden Berichte von Betroffenen, der gewalttätigen Übergriffe, um der Existenz von Antisemitismus gewahr zu werden?
Merken die Menschen nicht in ihrem eigenen Umfeld, an Schulen, am Arbeitsplatz, im Theater wie immanent antisemitische Bilder sind und was sie anrichten? Als Psychologin und Forscherin kann ich es einordnen und erklären. Als Mensch weigere ich mich immer wieder, den Umstand anzuerkennen, dass es diese kollektive Unfähigkeit gibt, Antisemitismus als ein drängendes Problem einzusehen, welches nicht woanders ist, sondern mitten in den Familien, mitten im Netz, mitten in Institutionen wirkt?