
Ukraine-Krieg und Feindbilder – Was Putin gerne liest und zitiert
Frankfurter Rundschau
Wladimir Putins imperiale Machtträume und der Antichrist „Westen“. Und aus Sicht eines gebürtigen Polen auch die Frage, was hier jetzt Russophobie ist.
Seit einigen Tagen schon spreche ich über Skype mit meinen Freunden über die Invasion der Ukraine durch Russland. Alle sind über die Gräueltaten der Putin’schen Soldaten und das Leid der ukrainischen Bevölkerung entsetzt, alle empfinden Empathie und Mitgefühl. Und alle sind besorgt und haben Angst vor einer Eskalation, einem neuen Weltkrieg. Ich schreibe hier über Freunde aus Venedig, Southampton, Frankfurt am Main, Bremen, Warschau, Olsztyn, Faro, Johannesburg, Santiago de Chile und San Francisco.
Ich lebe seit fast zwei Jahren im Frankfurter Hotel Lindley: Es ist mein neues Zuhause geworden, hier schreibe ich an meinen Büchern weiter. Aber morgen kehren meine Frankfurter Freunde aus Polen zurück: Zusammen mit anderen freiwilligen Helfern bringen sie Flüchtlinge aus der Ukraine in unser Hotel, etwa dreißig Personen, hauptsächlich Frauen und Kinder. Meine Frankfurter Freunde sind Deutsche, Halbjapaner, Halbsyrer und in erster Linie Europäer, und wie man weiß, dreht sich in Frankfurt alles um eines: Geld; meine Freunde sind also auch Geschäftsleute, die verschiedene Fremdsprachen beherrschen – vor allem aber haben sie ein großes Herz für alle, die unter dieser absurden, blutigen und verbrecherischen Invasion durch Russland leiden. Aber Putin versteht überhaupt nicht, was Europa ist oder was Empathie (Caritas) in einer offenen Gesellschaft bedeutet. Er denkt historiosophisch-messianisch – im Kontext von Mission, Eschatologie und Jahrhunderten, und ich werde gleich auf dieses Thema zurückkommen.
Kann ein Individuum die Geschicke der Welt bestimmen? Ich habe nämlich als erstes lange über eines nachgedacht: Der ganzen Welt mit Vergeltung zu drohen, denn darum geht es ja in Putins Warnungen an die USA, die Nato und die EU – da muss man wirklich vom Größenwahn total beherrscht sein. Hier auf unserem Planeten haben wir solche Individuen leider schon oft zu Gast gehabt – die blutige, strafwürdige Darbietung Putins ist leider nichts Neues; die Menschheit kennt sehr gut ihre Despoten und Diktatoren.
Aber wie ist es möglich, dass ein solches Individuum nicht begreift, was es für alle Bewohner unseres Planeten bedeutet, seit Tagen schon in ständiger Angst vor dem Schlimmsten, Unvorstellbaren zu leben? Es geht jetzt nicht um Politik, sondern um die Vorstellung, dass alle gefährdet sind, alle ... Wenn jemand Menschen mit etwas, was die Welt noch nicht gesehen habe, erschreckt, bedeutet das, dass dieser jemand keinen Respekt vor dem Dasein hat, vor der ontischen Existenz, dem Menschen im Kosmos, dem Leben aller existierenden Wesen, wie sie „Gott mit weißem Bart“ geschaffen hat, oder die darwinistische „Evolution“.
Ontologisch betrachtet handelt es sich um ein solches Individuum, das sich als ein äußerst negativer Fall leider hervorragend dafür eignet, um im Bereich der Theodizee studiert zu werden. Dieses Studium hat nichts mit Russophobie zu tun. Die Theodizee beschäftigt sich mit der Funktion des Bösen in der Welt, kurz gesagt.













