
Shitstorm gegen Vorstoß für eine Parlamentspoetin: „Es geht nicht darum, das Infektionsschutzgesetz zu tanzen“
Frankfurter Rundschau
Eine Parlamentspoetin, ein Parlamentspoet? Die Idee allein löst bereits Entrüstungsstürme aus: Simone Buchholz über unerwartete Resonanz, Roboterhaftigkeit in der Politik und die Poesie des Rappers Haftbefehl.
Frau Buchholz, Anfang Januar haben Sie mit Mithu Sanyal und Dmitrij Kapitelman in der Süddeutschen Zeitung eine Parlamentspoetin gefordert, die zwischen Gesellschaft und Politik vermitteln, irritieren und emotionalisieren soll. Seitdem gab es einen regelrechten Shitstorm. Die Taz schreibt „Gefällige Auftragskunst fürs Grünen-Milieu braucht niemand“. In der SZ haben die Schriftstellerinnen Dana von Suffrin und Tijan Sila vehement protestiert, und bei Twitter geht die Post ab. Können Sie sich das erklären?
Am Anfang dachte ich, dass das überhaupt niemanden interessieren würde. Als dann die ersten Beißreflexe von konservativer Seite kamen und dann immer mehr Leute – auch Kolleginnen – auf den Zug aufgesprungen sind, habe ich angefangen mich zu fragen, was dahinter steckt. Diese Häme und diese Wut habe ich mir auch mit einer gewissen Angst erklärt, auf eine Art unangenehm berührt zu werden. Eine Angst, die ich sehr deutsch finde. Ich erkläre mir das so, dass wir über Jahrzehnte konservativ regiert wurden, in einem Regierungsstil, der ein bisschen eingeschläfert hat. Und dass jeder Versuch, das mal neu zu denken, etwa einen Dialog zu ermöglichen zwischen dem, was da im Parlament stattfindet und dem, was draußen im Leben der Leute stattfindet, enorme Beißreflexe und Angst vor Veränderung auslöst.
Irgendeinen wunden Punkt müssen Sie berührt haben. Wenn ihr Vorschlag nicht der Rede wert wäre, müsste man ihm nicht so viel Aufmerksamkeit widmen.
Literatur ist offenbar immer noch eine Zumutung und löst starke Gefühle aus – was ich als Autorin natürlich ganz schön finde.
War Ihr Wunsch, eine Parlamentspoetin möge „politische Debatten und Strömungen in Poesie oder Prosa gießen“ vielleicht ein wenig naiv formuliert? Würden Sie das noch einmal so sagen?













