Schwangere darf nicht einreisen - und findet Zuflucht bei den Taliban
RTL
"Wenn die Taliban Ihnen – einer schwangeren, unverheirateten Frau – einen sicheren Hafen anbieten, wissen Sie, dass Ihre Situation verzwickt ist.“
Es klingt wie ein schlechter Scherz, doch für Charlotte Bellis ist es bittere Realität. Die neuseeländische Journalistin muss ihren Arbeitsort Katar verlassen, weil sie als unverheiratete Frau schwanger wurde – ein No-Go in dem Golfemirat. Ihr Kind will sie in ihrem Heimatland zur Welt bringen – wegen der strengen Corona-Bestimmungen darf sie dort aber nicht einreisen. Zuflucht findet sie ausgerechnet bei den Taliban in Afghanistan.
Jahrelang dachte Bellis, sie könnte keine Kinder bekommen und widmete ihr Leben ganz ihrer Arbeit als Journalistin. Für den Fernsehsender Al Jazeera war sie in Katar stationiert und berichtete auch über die Machtübernahme der Taliban. Bei einer Pressekonferenz stellte sie mutig die Frage, was die Taliban tun wollen, um Frauenrechte zu schützen.
Kurz nach ihrer Rückkehr nach Katar dann die überraschende Nachricht: Sie ist schwanger von ihrem Freund, dem New York Times Fotografen Jim Huylebroek. Als unverheiratete Frau blieb ihr keine andere Wahl als das Land so schnell wie möglich zu verlassen, kein Frauenarzt durfte sie behandeln.
Also wollte Bellis zurück in ihre Heimat. Das Problem: Die Einreisebestimmungen sind wegen Corona äußerst streng, zehntausende Neuseeländer im Ausland gestrandet. Wer einreisen will, muss zwei Wochen in spezielle Quarantäne-Hotels. Doch diese Plätze sind knapp und äußerst begehrt. Deshalb müssen Reisende an einer Art "Lotterie" teilnehmen – Bellis und ihr Partner gingen leer aus. Bei der letzten Verlosung kamen auf 1.190 Hotelplätze rund 11.000 Bewerber.
Auch Belgien, das Heimatland ihres Freundes, muss sie bald wieder verlassen – als nicht-EU-Bürgerin darf sie dort nur eine begrenzte Zeit bleiben. Das einzige andere Land, für das sie noch ein gültiges Visum haben: Afghanistan.
In ihrer Not kontaktiert sie hochrangige Taliban-Führer. Ihnen erzählt sie, dass sie unverheiratet schwanger ist. Doch die Islamisten reagieren überraschend gelassen. "Wir respektieren Euch beide, Ihr seid Ausländer, also ist das Eure Sache", sagt der Kommandeur. Sie könne ruhig nach Afghanistan kommen, dort werde ihr nichts passieren. "Sagt den Leuten einfach, dass ihr verheiratet seid. Und wenn es Ärger gibt, ruft uns an. Keine Sorge, alles wird gut."
Bellis sagt, es sei "brutal ironisch", dass sie die Taliban einst nach ihrer Behandlung von Frauen gefragt habe und diese Fragen jetzt ihrer eigenen Regierung stelle. "Wenn die Taliban Ihnen – einer schwangeren, unverheirateten Frau – einen sicheren Hafen anbieten, wissen Sie, dass Ihre Situation verzwickt ist."
Von Afghanistan aus bemüht sich Bellis weiter um eine Einreise nach Neuseeland. Sie kennt die Horror-Geschichten aus den Krankenhäusern Kabuls, wo Entbindungen wegen Stromausfällen nur im Licht von Handy-Taschenlampen durchgeführt werden und das einzige Medikament eine Tablette Paracetamol ist. Selbst die UN schätzt, dass bis 2025 rund 50.000 Frauen zusätzlich während der Geburt sterben werden – insgesamt sogar rund 70.000.