Helmut Zielke – Kunst ohne Schampus
Frankfurter Rundschau
Ein Berliner Galerist hat das Werk des heillos missachteten Malers und Außenseiters Helmut Zielke aufgespürt – eine Sensation.
Er habe einen Geheimtipp, sagte ein Freund, der viel durch Berlin Galerien streift. Ich solle in die Schwedter Straße gehen, in die Galerie Läkemäker. Dort warte, auf Leinwand und Papier, eine Sensation. Er hat recht. Es ist eine Sensation. Und wenn ich nun niederschreibe, was ich an den Galeriewänden gesehen habe, dann ist der Bilder-Nachlass des Malers Helmut Zielke aus dem Prenzlauer Berg, Jahrgang 1938, hoffentlich kein Geheimtipp mehr.
Zielke ist 2013 völlig vergessen und ohne Nachfahren gestorben. Seine Gemälde und Zeichnungen sind außergewöhnlich. Sie gehören ins Museum. Oder in eine große öffentliche Sammlung. Dieser wenig bekannte Maler erweist sich gewissermaßen als der (männliche) Hilma Af Klint Berlins. Wir erinnern uns: Die schwedische Pionierin der abstrakten spirituellen Malerei wurde auch erst nach ihrem Tod entdeckt. Seitdem sorgt jede Ausstellung für Furore und für Begehrlichkeiten in der Sammlerszene.
Es ist kaum zu fassen, dass Helmut Zielke derart in Vergessenheit geriet. Was er malte und zeichnete, blieb zu Unrecht tief im Schatten des Kunstbetriebs. Erst in jenem vormundschaftlich- staatlichen, auf Realismus getrimmten der DDR, dann, nach 1990, im kommerzialisierten sowie weitgehend von westlicher und internationaler Kunst geprägten der Bundesrepublik. Was der gelernte Kartograf und Bühnenmaler mit Öl- oder Aquarellfarbe, mit Farbstiften, Tusche, per Fotomontage oder Collage auf Leinwand und Papier setzte, ist keiner Schule, keinem Land, keiner Region zuzuordnen. Alles kam aus einer ganz eigenen Welt: Farblabyrinthe, frei und keinem Trend verpflichtet.
Das hier abgebildete großformatige Ölbild „o.T.“ malte Zielke 1981. Ein farbiges geometrisches, kubistisches Maschinen-Gebilde. Voll rätselhafter Mechanik, mit futuristischen Spiralen, Voluten, Zickzackformen, Linienbändern und wie miteinander kommunizierenden Röhren und Schläuchen. Viel Rot, Gelb, etwas Blau. Die Farben der abstrakten Maler Piet Mondrians und später Barnett Newmans. Ins Bild flechten sich zudem organische und auch kosmische Formen.
Dieser Maler, den wir nicht mehr nach seinen Inspirationen fragen können, hat unübersehbar die Formensprache der klassischen Avantgarde aufgesogen. So des sowjetrussischen Konstruktivismus und französischen Kubismus um Fernand Leger, ebenso den philosophisch und Farbe vereinenden Orphismus von Sonia und Robert Delaunay. Nicht ohne Wirkung blieben bei ihm auch Bilder des aus Belgien stammenden Freundes, des einige Zeit in Ostberlin lebenden Kubisten Roger David Servais. Und nicht zuletzt die konstruktivistischen Motive seines Bruders Ottfried Zielke.