Fratzscher: Warnung vor Lohn-Preis-Spirale ist "ein Märchen"
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Bundesfinanzminister Lindner warnt zuletzt immer wieder vor einer Lohn-Preis-Spirale, die davon ausgeht: Höhere Löhne heizen die Inflation weiter an. Eine solche Entwicklung sieht Ökonom Marcel Fratzscher nicht. Weder sei die Gefahr akut noch Panik angebracht.
Top-Ökonom Marcel Fratzscher glaubt nicht an die Gefahr zu hoher Lohnabschlüsse, die dann wiederum die ohnehin schon kräftige Inflation weiter anheizen. "Das ist ein Märchen", sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Die Gefahr sei nicht akut.
"Man muss jedenfalls keine Panik schieben, auch weil die Gewerkschaften nicht mehr eine so starke Verhandlungsmacht haben, wie dies noch in den 1970er Jahren der Fall war." Es gebe eher deutliche Reallohnverluste. Dieses Jahr dürften die Löhne im Schnitt um 4,5 Prozent zulegen - bei einer Inflation in Deutschland von etwa acht Prozent. "Auch für die kommenden Jahre sehe ich keine Anzeichen, dass wir in eine Lohn-Preis-Spirale rutschen könnten."
Bundesfinanzminister Christian Lindner hatte zuletzt immer wieder vor einer solchen Spirale gewarnt und von einer realen Gefahr gesprochen. Fratzscher sagte dagegen, viele Unternehmen seien nicht überfordert mit den Lohnforderungen. Es gebe durchaus Spielräume in vielen Branchen. "In der Energiebranche zum Beispiel gibt es keinen Grund, dass die Lohnsteigerungen nicht deutlich über die Inflation hinausgehen. In anderen Branchen, die vor großen wirtschaftlichen Problemen stehen, sieht das anders aus und Lohnzurückhaltung ist richtig und notwendig."
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