Forscher finden Hinweis auf Treibhausgas-Leck
ZDF
In BaWü entweichen offenbar Dutzende Tonnen eines klimaschädlichen Gases. Forschende warnen, Behörden und der mutmaßliche Verursacher wiegeln ab.
In Baden-Württemberg entweichen offenbar Dutzende Tonnen eines klimaschädlichen Gases - Forschende warnen, Behörden und der mutmaßliche Verursacher wiegeln derweil ab. Der Chemiekonzern Solvay hat die Klimagas-Emissionen eines Standorts in Baden-Württemberg möglicherweise viel zu niedrig angegeben. Zuletzt meldete das Unternehmen offiziell einen jährlichen Ausstoß von lediglich 56 Kilogramm Schwefelhexafluorid (SF6). Das Treibhausgas gilt als klimaschädlichstes weltweit. Doch Messungen der Goethe-Universität Frankfurt legen nahe, dass es möglicherweise weit mehr ist. Sie messen rund 30 Tonnen SF6, die aus der Gegend des Chemiewerks von Solvay stammen. Damit wäre der Standort für einen bedeutenden Teil der deutschlandweiten SF6-Emissionen verantwortlich. Solvay erklärte, es habe "alle notwendigen, wissenschaftlich fundierten Maßnahmen" ergriffen, "um die Situation zu bewerten und kontinuierlich zu überwachen". Ein Leck wollte das Unternehmen auf Anfrage nicht bestätigen. SF6 gilt als das schädlichstes Treibhausgas der Welt. Es wirkt 24.000-mal stärker als CO2. Einmal in die Atmosphäre gelangt, bleibt SF6 dort mehr als 3.000 Jahre bestehen, was die Erderwärmung langfristig verstärkt. Wegen seiner extrem klimaschädlichen Wirkung sind Unternehmen in Deutschland verpflichtet, ihre SF6-Emissionen zu melden. Die vermuteten 30 Tonnen SF6-Emissionen aus Bad Wimpfen entsprechen circa 729.000 Tonnen CO2 - etwa so viel wie 250.000 Sportwagen mit Verbrennungsmotor pro Jahr verursachen. Wegen der Klimaschädlichkeit schränkt die EU die Verwendung von SF6 in den kommenden Jahren zunehmend ein. Weltweit, so schätzen Wissenschaftler von der Universität in Wien, strömen pro Jahr etwa 10.000 Tonnen SF6 in die Atmosphäre. Während in der EU und den USA in den vergangenen Jahrzehnten SF6-Emissionen deutlich zurückgegangen sind, stiegen diese in China um das Vierfache an: auf geschätzte 5.160 Tonnen pro Jahr. Die USA sollen für etwa 480 Tonnen SF6 und die EU für 250 Tonnen pro Jahr verantwortlich sein. Über Jahre hinweg haben Atmosphärenchemiker der Universität in Frankfurt am Main an einer Messstation im Taunus auffällig hohe SF6-Konzentrationen gemessen. Immer wenn der Wind aus dem Süden kam, schossen die SF6-Werte in die Höhe. "Es handelt sich um keine kleinen Schwankungen, keine Messunsicherheiten, sondern um Ausschläge, die deutlich höher waren als an allen anderen europäischen Stationen", berichtet die Atmosphärenforscherin Katharina Meixner. Als mutmaßlichen Verursacher machten die Wissenschaftler nach Informationen von ZDF frontal und "Spiegel" ein etwa 120 Kilometer entferntes Chemiewerk im baden-württembergischen Bad Wimpfen aus. Betreiber ist Solvay, nach Behördenangaben der einzige Hersteller von SF6 in Europa. Der Stoff wird für die Isolation von Transformatoren verwendet.






