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Deutschland fehlen Zehntausende Schöffen

Deutschland fehlen Zehntausende Schöffen

n-tv
Monday, February 27, 2023 11:49:49 AM UTC

Als Bindeglied zwischen Staat und Gesellschaft verwirklichen Schöffen die Teilhabe des Volkes an der Rechtsprechung. Für die neue Amtszeit werden nun deutschlandweit händeringend Freiwillige gesucht. Die Hürden für eine Bewerbung sind gering.

Sie entscheiden mit über Schuld oder Unschuld eines Angeklagten - und haben meist keine juristischen Vorkenntnisse: Schöffinnen und Schöffen sitzen bei Strafprozessen gleichberechtigt mit Berufsrichtern auf der Richterbank. Wenn ein Urteil "im Namen des Volkes" gesprochen wird, sollen die Ehrenamtler eben diese Stimme des Volkes einbringen. Zurzeit laufen bundesweit die Bewerbungsverfahren. Allein in Nordrhein-Westfalen werden für die neue Amtszeit von 2024 bis 2028 rund 10.000 Laienrichter gebraucht. Für die Vorschlagslisten werden allerdings doppelt so viele Bewerber benötigt. In Baden-Württemberg müssen etwa 7000 vakante Stellen besetzt werden, in Leipzig sind es bis zu 1500, in Brandenburg mehr als 2200. 9800 Bewerber werden für 4200 Schöffenämter in Hamburg gesucht.

Die formalen Voraussetzungen für das Amt sind gering: Bewerber müssen zwischen 25 und 69 Jahre alt, deutsche Staatsangehörige und gesundheitlich ausreichend belastbar sein. Erwünscht sind zudem "Soft-Skills" wie Menschenkenntnis, Verantwortungsbewusstsein, Objektivität und Gerechtigkeitssinn. Denn Schöffen müssen am Ende tief in das Leben eines anderen Menschen eingreifen. Deshalb hofft nicht nur die Vereinigung der Schöffinnen und Schöffen, dass sich überall eine ausreichende Zahl an Bewerbern findet. Wo das nicht der Fall ist, werden nach dem Zufallsprinzip Bürger ausgewählt und auf die Vorschlagsliste gesetzt. Bei der vorigen Wahl 2018 seien etwa 20 Prozent der Kandidaten "zwangsverpflichtet" worden. Da besteht natürlich die Gefahr, dass auf der Richterbank Menschen sitzen, die demotiviert sind und keine Lust haben", sagt der NRW-Landesvorsitzende der Vereinigung, Michael Haßdenteufel.

Wer zum Schöffen gewählt wird, hat nahezu keine Chance, das Amt abzulehnen. Umgekehrt besteht mancherorts die Sorge, dass sich beispielsweise Rechtsextreme ein Schöffenamt sichern könnten, um Urteile in ihrem Sinne zu beeinflussen. "Sollten die Kommunen Zweifel an der Verfassungstreue einer Bewerberin oder eines Bewerbers haben, steht es ihnen frei, neben dem Verfassungsschutz auch die Staatsschutzdienststellen der Polizei zu kontaktieren", erklärt das NRW-Justizministerium dazu auf dpa-Anfrage. Bundesjustizminister Marco Buschmann hat kürzlich einen Gesetzentwurf vorgelegt, nach dem die Verfassungstreue ehrenamtlicher Richter festgeschrieben werden soll. Für Schöffen-Vertreter Haßdenteufel stellt das Thema ein Dilemma dar: Sofern eine Person sich nicht offensichtlich rechtsgesinnt zeige, sei es vor allem in Großstädten fast unmöglich, ihre Verfassungstreue zu überprüfen.

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