Das einzige Blatt, das sich traute, die Wahrheit zu sagen
Die Welt
Die Regierung in Hongkong hat mit „Apple Daily“ eine der letzten unabhängigen Zeitungen eingestellt - wegen angeblicher Verstöße gegen das Hongkonger Sicherheitsgesetz. Für die prodemokratische Bewegung ist dies ein schwerer Schlag.
Ich bin mit „Apple Daily“ aufgewachsen. Jeden Abend nach dem Essen habe ich die Zeitung aufgeschlagen, auf den Boden gelegt und beim Lesen meinen Kopf auf die Ellbogen gestützt, weil ich zu klein war, um sie wie die Erwachsenen zu halten. Meine Ellbogen und Klamotten waren deshalb oft voll mit Druckerschwärze. Am Wochenende durfte ich sie morgens nach meinen Eltern lesen. Anfangs habe ich nicht verstanden, was die Nachrichten und die Kommentare bedeuteten. Das Lesen war nur ein Zeitvertreib, weil ich als Kind nicht fernsehen durfte. Für mich als Grundschülerin war Politik abstrakt und schwer zu begreifen. Mich haben nur die lustigen Grafiken interessiert, für die „Apple Daily“ berühmt ist – aber auch kritisiert wird, weil sie so reißerisch sind. Doch als ich älter wurde, begannen Wörter wie „Demokratie“ und „Redefreiheit“ in meinem Kopf eine Bedeutung zu bekommen. Indem ich „Apple Daily“ las, lernte ich allmählich etwas über soziale Themen in Hongkong. Ich erkannte, welche Politiker wofür stehen. Und ich realisierte langsam, dass in der Stadt, in der ich aufgewachsen bin, etwas sehr falsch läuft.More Related News