Auffällig unauffällig
Süddeutsche Zeitung
Normalerweise gibt sich China der Gigantomanie hin. Doch für die Winterspiele werden einige Sportstätten von 2008 wiederverwendet - was nicht heißt, dass plötzlich Bescheidenheit oder gar ökologische Transformation regieren.
Als in Peking die Olympischen Sommerspiele 2008 eröffnet wurden, war man bereits wieder daheim. In München. Einige Zeit zuvor befand sich der Reporter auf einer Anhöhe, von der aus man das gerade noch im Bau befindliche "Vogelnest" in den Blick nehmen konnte. Näher kam man nicht heran. Wobei das gut bewachte Nationalstadion, das sich die Architekten und Pritzkerpreisträger aus Basel, Jaques Herzog und Pierre de Meuron, als filigranes Gespinst aus Stahlträgern ausgedacht hatten, auch aus der Ferne sensationell wirkte.
Federleicht schien es zu sein, wie das zierliche Geäst eines Vogelnests eben. Doch allein die äußere Hülle wiegt 42 000 Tonnen. Das Stadion zeugt von einer suggestiven Leichtigkeit und Transparenz, von einer Dynamik und Offenheit, die in Wahrheit mit einem Maximum an bald überzogenen Baukosten und einem Maximum an Baustoffen erkauft wurde. Trotzdem saß man davor und fand es einfach herrlich. Also, ziemlich herrlich.
Als die Olympischen Spiele 1972 nach München kamen, zeichneten zwei angesehene Magazine ein düsteres Bild von der Stadt. Eine Sache hat sich seither in der Tat nicht verbessert. Glosse von Anna Hoben
So machte man dem chinesischen Reiseführer, der den Architektur-Touristen im Land im Auge behielt, etwas, was man ernsthaft für ein Kompliment hielt. Man sagte in etwa dies: Gratuliere, da habt ihr nun ein Olympiastadion, das fast so schön ist wie das in München anno 1972. Der Reiseführer hatte dann Mühe, um das Lob, das sich für chinesische Ohren offenbar wie eine mittelschwere Beleidigung anhörte, halbwegs zu ignorieren.
Damals lernte man, dass Chinesen mindestens so leicht zu beleidigen sind wie die Korsen im Asterix-Heft. Daher weiß man auch noch sehr genau, was einem der Reisebegleiter in aller gebotenen Schärfe erwiderte. Erstens, meinte er, "unser Olympiastadion ist das schönste der Welt". Und zweitens: "Das nächste Stadion zu den nächsten Olympischen Spielen wird dann noch größer, noch schöner und noch teurer." Er sagte das immerhin lachend.