
Willi Achten: „Rückkehr“ – Eskalation in einer Sommernacht
Frankfurter Rundschau
Damals in den 90ern: Willi Achtens „Rückkehr“ ist eine spannende Dorfgeschichte, wenn auch mit etwas viel Verzögerungstaktik erzählt.
Schau ich zurück, und ich schaue ständig zurück, seit ich ins Dorf gekommen bin“, sagt Jakob Kilv, dann „begann in jener Sommernacht etwas, das unser Leben veränderte“. Mit diesen Worten gibt der Ich-Erzähler in Willi Achtens Roman „Rückkehr“ Ton und Thema vor. Einerseits liegt Nostalgie in der Luft, andererseits muss ein Rätsel gelöst werden.
Jakob zieht es nach vielen Jahren heim in die Berge, zurück in das Dorf seiner Kindheit und Jugend. Dabei gibt er nicht nur seinem Heimweh nach. Auch will er klären, warum einstmals eine Protestaktion von Naturfreunden gegen den Liftbetreiber Bolltner im Skigebiet am Weißkogel völlig aus dem Ruder gelaufen ist. Es war ein Ereignis, das Familie und Freundeskreis auseinanderwirbelte. Wer aber hat die Eskalation befeuert, wer wusste darüber Bescheid, wie konnte es dazu kommen? Welche Rolle spielten der Vater, die Mutter, der charismatische Bruno und die Gruppierung Earth First?
„Ich war gespannt bis zur letzten Zeile“, zitiert der Verlag den Schriftstellerkollegen Norbert Scheuer. Und tatsächlich sorgt Willi Achten mit viel Aufwand dafür, dass man erst sehr spät im Buch der Auflösung näherkommt. Ja, der Autor strapaziert diese Verzögerungstaktik mehr als nötig. Immer wieder gibt es ein Raunen und eine Andeutung. Zwar bietet sich mehrfach die Gelegenheit zu Aussprache und Aufklärung. Doch sobald die alten Freunde Bruno und Ranz Luft holen, um nun endlich Jakobs Ahnungslosigkeit zu beenden, kommt etwas dazwischen. Als auch Liv, die Jugendliebe, Licht ins Dunkel bringen will, hält Jakob ihr den Mund zu: „Es ist nicht der Augenblick für eine Erklärung.“ Ach, so? Na, dann eben weiter ins nächste Kapitel. Das hält die Spannung aufrecht, aber ein bisschen penetrant ist es auch.
Dabei ist die auf zwei Zeitebenen erzählte Geschichte attraktiv. Willi Achten hat das Netz aus umweltpolitischen, psychologischen und erotischen Fäden kunstvoll geknüpft. Einige der darin verstrickten Helden sind so eigensinnig und verrätselt, dass ihnen eine poetische Tiefe zuwächst. Auch ist die hier ausgestellte Sehnsucht nach unversehrter Natur nichts als nachvollziehbar. Und glücklicherweise macht die Vogelwelt-Metaphorik um Bartgeier und Zitronenzeisige rechtzeitig Halt vor dem Zuviel-des-Guten.
Willi Achten – 1958 geboren, in Niederkrüchten-Elmpt am Niederrhein aufgewachsen und in Aachen sowie im niederländischen Vaals zu Hause – veröffentlicht seit bald 30 Jahren Lyrik und Prosa. Zuletzt ist bei Piper der Roman „Die wir liebten“ (2020) erschienen. Auch dort wirft er einen Blick zurück in eine Kindheit, die allerdings in den 1970er Jahren angesiedelt ist.













