Robert Seethaler liest im Schauspiel Frankfurt: „Ich fühlte mich wie eine offene Wunde“
Frankfurter Rundschau
Robert Seethaler spricht in Frankfurt über sein Schauspieler-Leben und den Roman „Der letzte Satz“.
Zum Korsett öffentlicher Lesungen gehören Fragen, das Sprechen über sich selbst und ein Glas Wasser. Das alles erlebt der österreichische Bestseller-Autor Robert Seethaler mit Unbehagen. Offen spricht er dies auf der Bühne des Frankfurter Schauspielhauses an. Unwillig nimmt er die Plastikfolie von der Glaskaraffe auf seinem Tisch und schiebt sie dann weit von sich weg, da es darin – wie er vermutet – unecht sprudelt. Sein Steckenpferd ist spürbar das Lesen selbst.
Robert Seethaler, wird an diesem kalten Januarabend reichlich Gelegenheit finden, aus seinem Roman „Der letzte Satz“ vorzutragen, bei Hanser erschienen und 2020 auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis. Denn anders als geplant, wird der die Stille der Berge liebende Autor, der im Salzkammergut aufgewachsen ist, nicht mit Moderatorin Margarete von Schwarzkopf das Gespräch führen. Nach deren kurzfristiger Absage ist Hauke Hückstädt, Literaturhausleiter und Gastgeber des Abends, eingesprungen.
Dass Hückstädt einen besonderen Ton im Werk wahrnimmt und nach dem Stellenwert von Musik im Leben Seethalers fragt, freut den Autor. Der Ton sei ihm das einzig Wichtige, erklärt er, beim Schreiben summe er ihn oft vor sich hin. Vor allem bei diesem Buch, das den Musiker Gustav Mahler ins Zentrum stellt, habe er sich bemüht, mit Worten zu komponieren.
Ob er auch ein „Hi-Fi-Mann“ sei, will Hückstädt wissen. Seethaler verneint. Er habe zu Hause eine schlechte „Anlage“. Schon das Anklingen eines musikalischen Werkes sei ihm genug, dann höre er es in seinem Innern weiter. Oft werde ihm die Musik jedoch zu viel, „Musik ist eine ständige Durchwehung, klebt Lebensoberfläche zu“. Auch Mahler, dessen biografisches Profil er in „Der letzte Satz“ fiktiv entwirft, habe eine Musik komponiert, die überwältige und für ihn immer nur in Ausschnitten aufnehmbar sei.
Hückstädt verweist auf die filmische Struktur des Romans und erinnert daran, dass Seethaler auch als Schauspieler Bekanntheit erlangt habe. „Ich bin froh, dass ich hier, auf dieser Schauspielbühne, nicht mehr stehen muss, sondern sitzen kann“, antwortet Seethaler. Die Art, sich im Spiel öffnen zu müssen, habe er kaum ausgehalten. „Ich fühlte mich wie eine offene Wunde.“ Beim Schreiben könne er sich hinter den Worten verstecken und zugleich ehrlicher sein.