
Ralf Konersmann „Welt ohne Maß“: Das Maß der Dinge
Frankfurter Rundschau
Hinter Ralf Konersmanns reichhaltiger Kulturgeschichte grummelt ein Unbehagen an der Gegenwart.
Warenstapel, Müllhaufen, Informationsberge und Datenmassen: Dass wir Menschen der westlichen Welt gerne akkumulieren, ist nichts Neues. Doch woher kommt diese massive Überfülle unserer Gegenwart, unser Glaube an Quantität, Statistik und unendliches Wachstum? Ist uns das Maß verloren gegangen? Der Kieler Philosoph Ralf Konersmann sucht in seinem Buch „Welt ohne Maß“ nach Antworten. Dafür erforscht er die großen historischen Umbrüche einer „Kultur des Maßes“ und blickt tief in die Geschichte der abendländischen Philosophie.
Die antiken Menschen muss man sich laut Konersmann noch als ausgesprochen maßvoll und zufrieden vorstellen: Für sie ergab sich das Maß noch ganz selbstverständlich aus den Dingen selbst. Mit großem Vertrauen begegneten sie der Welt und verstanden Maß und Messen, Ethik und Technik, Mensch und Natur als harmonische Einheit. So lebten sie in einem „fraglos gegebenen Zustand einer Weltordnung“, in der sie noch kein Wille zur Macht über sich hinaustrieb, kein Wachstumszwang zur Optimierung aufforderte.
Wie weit entfernt ein solcher Weltbezug den Menschen im 21. Jahrhundert liegt, ist klar: Spätestens seit der industriellen Revolution und erst recht in der durchtechnisierten Lebenswelt von heute sind die Menschen in die Rolle der Macher und Gestalter – und damit auch der Zerstörer – geschlüpft. Alles gilt als veränderbar, transformierbar, beherrschbar und nutzbar – mit den bekannten Folgen. Aus dem ethischen Maß der Antike, das noch wie ein Geschenk aus der Welt schlüpfte, wurde das auf die Welt anwendbare statistische und algorithmische Messen der Gegenwart.













