Rückraum als Baustelle im DHB-Team
ZDF
Vor der letzten EM-Hauptrundenpartie gegen Russland (18 Uhr/ZDF) fällt eine sportliche Bilanz schwer. Die größte Baustelle ist der Rückraum.
60 Minuten müssen die deutschen Handballer noch irgendwie überstehen - die Reste des Teams, die bei Anpfiff des letzten EM-Hauptrundenspiels gegen Russland um 18 Uhr noch spielfähig sein werden. Es ist anzunehmen, dass diese Reste wie schon gegen Schweden (21:25) zwar alles geben, aber am Ende physisch nicht mehr standhalten werden.
Durch die beiden positiven Corona-Fälle von Simon Ernst und Patrick Wiencek am Montag wurde der zweifache Europameister auf 14 Profis dezimiert, und darunter ist jemand wie Hendrik Wagner, der nach seiner Corona-Infektion offensichtlich nicht spielfähig ist. Speziell im Mittelblock gehen Bundestrainer Alfred Gislason die Alternativen aus.
Sportlich geht es für die DHB-Auswahl (2:6-Punkte) nach dem vorzeitigen Halbfinal-Aus um nicht mehr viel. Sie könnte mit einem Sieg gegen Russland (3:5) noch den siebten Platz belegen. In den letzten 60 Minuten geht es vor allem darum, dieses bizarre Turnier einigermaßen würdevoll zu Ende zu bringen.
Es dürfte sich für die Verantwortlichen um DHB-Sportvorstand Axel Kromer kompliziert gestalten, aus dieser EM irgendwelche sportlichen Rückschlüsse zu ziehen. Schließlich sind vom ursprünglichen 17er-Kader nach insgesamt 15 positiven Corona-Tests nur vier Profis übriggeblieben: Neben Golla sind dies die Rückraumspieler Julian Köster, Philipp Weber und Rechtsaußen Lukas Zerbe.
Insbesondere der 21-jährige Köster, der für den VfL Gummersbach in der 2. Liga aufläuft, nutzte die Einsatzzeiten auf Halblinks, die sich durch die Ausfälle von Julius Kühn und Sebastian Heymann ergaben. "Ich kannte ihn überhaupt nicht, habe ihn hier zum ersten Mal gesehen", sagte Kiels Linksaußen Rune Dahmke. "Der Junge ist der Wahnsinn."
Der Zwei-Meter-Mann brillierte im letzten Vorrundenspiel gegen Polen, und auch in den weiteren Spielen deutete er mit seiner Intuition und Beweglichkeit sein Potenzial an. Bundestrainer Gislason glaubt, dass der Rheinländer gerade auf der vorgezogenen Abwehrposition in Zukunft einen Part spielen kann wie Topspieler Domagoj Duvnjak bei den Kroaten.
Köster könne sich, da er auch über ein gutes Auge für den Mitspieler verfüge, zu einem kompletten Spieler entwickeln, meinte Gislason. Freilich muss sich Köster körperlich noch etwas Substanz zulegen, um sich im harten Profigeschäft dauerhaft durchzusetzen. Die Vergleiche mit dem glorreichen 1978er-Weltmeister Joachim Deckarm, die bereits in den Medien angestellt werden, sind jedenfalls (noch) unangebracht.
