
Paul Nizon: „Der Nagel im Kopf“ – Die innere Heimatlosigkeit
Frankfurter Rundschau
Keine Literatur, aber ein bedrückendes Dokument: Paul Nizons Journal „Der Nagel im Kopf“.
Schade, dass es keinen wohlmeinenden Freund gegeben hat, der den 91-jährigen Paul Nizon im Fall seines soeben erschienenen Tagebuchs darauf hingewiesen hätte, welche Seiten er sich lieber hätte sparen sollen. Nun müssen wir viel Belangloses lesen oder Dinge, die besser unter Ausschluss der Öffentlichkeit bei einem Psychotherapeuten abgehandelt worden wären.
Die Selbstentblößung, die der Autor – der sich zumindest mit seinem avantgardistischen Antiroman „Canto“ von 1963 in die Literaturgeschichte eingeschrieben hat – auf diesen Seiten wieder und wieder vornimmt, ist natürlich andererseits auch beeindruckend. Denn das, was sie aufdeckt, lässt uns die innerste Problematik seines Schreibens nachvollziehen.
Nizon kommt immer wieder auf seinen Vater zu sprechen, der aus Russland stammte und verstarb, als der Junge zwölf Jahre alt war. Er muss ein tiefreligiöser Mann gewesen sein, der aber offenbar keine Spuren in der Denkwelt des Sohnes hinterlassen konnte. Entschlossen, der Engigkeit der familiären Verhältnisse und auch allen metaphysischen Fragen den Rücken zu kehren, brach Nizon nach Italien auf, wo er sich als Theologiestudent ausgab, de facto aber vor allem erotische Erfahrungen sammeln wollte. „Nicht lernen – leben! Leben hatte damals ja auch immer mit Liebesvorstellungen zu tun oder doch mit Mädchen, mit Brüsten, mit Schenkeln unter Röcken.“













