Nicht nur in England: Die Rückkehr der Geschichte
Frankfurter Rundschau
Vor der Beerdigung von Elizabeth II. am heutigen Montag: Von Oberhäuptern, die sich für gottgesandt halten, und von einem englischen König, der ebenfalls Charles hieß
Bis vor elf Tagen war der einzige lebende King Charles der englische Sänger und Songwriter Charles Costa, der „King Charles“ zu seinem Künstlernamen gemacht hatte. Offenbar hatte das britische Königshaus keine Einwände. Ging man davon aus, dass Königin Elizabeth ihren Sohn oder sogar diesen Usurpator überleben würde?
Seit dem 8. September gibt es einen echten King Charles. Der 73-jährige Sohn der verstorbenen Königin ist der dritte dieses Namens. Eine Gelegenheit, um ein paar Minuten lang auf Charles I. (1600–1649) zurückzublicken. Jedes englische Schulkind weiß es und King Charles III. natürlich auch: Charles I. wurde enthauptet, und mit der Monarchie war erst einmal Schluss. Sein Sohn bestieg als Charles II. erst 1660 den Thron.
Was sagt uns das? Erst einmal nichts. Die Welt der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts hat wenig mit der des 21. zu tun. Je genauer man hinblickt, desto weiter scheint sie von uns abzurücken.
Aber man kann auch ganz anders auf die Weltgeschichte schauen. 1968 lernte ich in einem Adorno-Seminar ein Mitglied des europäischen Hochadels kennen. Er war neun Jahre älter als ich. In den 80er Jahren traf ich ihn wieder. Er war Professor geworden. Als ich ihn fragte, was er jetzt so mache, grinste er und sagte, er sei jetzt das Oberhaupt der Familie und habe entdeckt, dass sie schon einmal 100 Jahre lang nicht regiert hätten. Wir lachten beide, aber wir wussten auch, dass das der Unterschied war zwischen einem Kleinbürger wie mir, der kaum bis zu seinen Urgroßeltern zurückblicken konnte, und dem Abkömmling eines Fürstengeschlechts.
Charles III ist kein Nachfahr von Charles I. und Charles II.. Sie waren Stuarts. Charles III. ist ein Windsor, also ein Mitglied des Hauses Sachsen-Coburg und Gotha. Als im Ersten Weltkrieg England nicht nur mit Deutschland im Krieg lag, sondern zudem noch Flugzeuge des Typs Gotha G.IV England bombardierten, änderte König Georg V. am 17. Juli 1917 den anglisierten Namen Saxe-Coburg and Gotha, den das Haus in Großbritannien seit 1840 trug, in den jetzigen Hausnamen Windsor. Dieser steht für die Stadt Windsor in der Grafschaft Berkshire, in der sich Windsor Castle befindet, seit der Zeit Wilhelms des Eroberers eine der Residenzen der königlichen Familie. Der deutsche Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha war dem englischen König vorausgegangen und hatte schon im März des Jahres die Verbindungen zu den englischen Verwandten abgebrochen und klargestellt, dass niemand seinen Thron besteigen könne, dessen Staat Krieg gegen das deutsche Reich führe.