Heute in der ARD: „Nie zu spät“ - Heino Ferch glänzt im Ersten
Frankfurter Rundschau
Im Ersten läuft heute ein sehenswertes tragikomisches Familiendrama. Heino Ferch spielt einen Flugkapitän, der endlich lernen muss, ein guter Vater zu sein.
Frankfurt - Ein Mann muss lernen, was wirklich zählt im Leben: Das klingt zunächst nicht sonderlich originell. Auch die personelle Konstellation im ARD-Film ist nicht gerade außergewöhnlich: Für Flugkapitän Paul Langner (Heino Ferch) kam die Karriere stets an erster Stelle. Seinen verschiedenen Beziehungen hat das nicht gut getan; mittlerweile ist er in dritter Ehe verheiratet. Als die rund zwanzig Jahre jüngere Gattin Susanne (Picco von Groote) die biologische Uhr ticken hört, willigt Paul in eine Vereinbarung ein, die er fünf Jahre später bitter bereuen wird: Mit Ende fünfzig soll er in den Vorruhestand gehen und sich um das gemeinsame Kind kümmern, damit Susanne wieder in ihren Beruf zurückkehren kann.
Als es soweit ist, möchte Pauls Chefin in „Nie zu Spät“ (ARD) jedoch nicht auf seine Erfahrung verzichten und bietet ihm sogar an, die größte Passagiermaschine des Unternehmens zu übernehmen. Susanne reagiert, wie zu erwarten war: Sie ist empört, dass er sich nicht an die Abmachung hält, verlässt das gemeinsame Münchner Eigenheim und gibt ihm eine Woche Bedenkzeit. Als am nächsten Morgen aus heiterem Himmel auch Pauls Kinder Jonas (22) und Tabea (17) aus seinen ersten beiden Ehen vor der Tür stehen, bleibt ihm keine andere Wahl, als endlich zu lernen, ein richtiger Vater zu sein.
Im Grunde ist „Nie zu spät“ eine ARD-Variation des beliebten tragikomischen Erzählschemas „Plötzlich Papa“. In diesen Filmen werden Singles quasi über Nacht zu Vätern, weil sie sich beispielsweise um die Kinder verstorbener Geschwister kümmern müssen. Meist handelt es sich dabei um Lebenskünstler oder Männer, die bislang ausschließlich für ihren Beruf gelebt haben; so wie Paul. Sarah Schniers Drehbuch kommt zwar ohne die tragische Komponente aus, aber die Fallhöhe ist ähnlich, zumal der Film seine Hauptfigur in der ersten Hälfte genüsslich demontiert und Heino Ferch alle Register zieht, um Paul als Egozentriker zu zeichnen, der überhaupt nicht versteht, dass sich Susanne nicht über seinen nächsten Karriereschritt freut. Es ist also durchaus ein wenig Schadenfreude im Spiel, wenn der Pilot an den einfachsten Aufgaben eines Hausmanns scheitert. All’ das ist jedoch bloß Geplänkel im Vergleich zu dem Tiefschlag, den ihm die Autorin verpasst, als er sich im Gespräch mit seiner Chefin über die Schrullen kinderloser älterer Frauen mokiert; prompt platzt der Traum von der 747.
Natürlich hat Schnier die Figur auf die Spitze getrieben, aber gerade darin lag für Ferch die Herausforderung: Bei aller Selbstbezogenheit muss der Pilot, der sich auch daheim wie ein Kapitän aufführt, trotzdem einen Rest an Sympathie behalten, damit der Wandel, den er in der zweiten Filmhälfte durchläuft, nicht völlig unglaubwürdig wirkt. Psychologisch bedient sich das Drehbuch eines einfachen Kniffs: Paul hat einst selbst unter einem Erzeuger gelitten, dem er offenbar nichts recht machen konnte. Anstatt seinen Kindern ein besserer Vater zu sein, war er ihnen gar keiner; wie die Geschichte weitergeht, ist somit klar. Trotzdem sind die nun folgenden Ereignisse längst nicht so erwartbar, wie es scheint, denn Paul sieht sich mit weiteren Herausforderungen konfrontiert: Jonas und Tabea haben ganz erhebliche Probleme; und die haben auch mit ihm selbst zu tun.
Filme mit Heino Ferch sind nie Zeitverschwendung, Picco von Groote ist als selbstbewusste Frau an Pauls Seite ebenfalls sehenswert, und deshalb sind es vor allem die darstellerischen Leistungen von Pablo Grant und Harriet Herbig-Matten, die „Nie zu spät“ zu einem besonderen Film machen. Beide profitieren allerdings auch von tollen Rollen: Jonas leidet unter Angstzuständen, die er auf das ungeklärte Verhältnis zu seinem Vater zurückführt. Tabea soll Abitur machen, strebt aber eine Ausbildung als Mechanikerin an. Ihre Mutter will sie in ein Internat schicken; Paul ist ihre letzte Hoffnung. Die Verletzungen am Unterarm sind ein beredtes Bild für die Last, die das Mädchen mit sich herumträgt.