Ein Team, das so nie zusammenspielen sollte
Süddeutsche Zeitung
Den deutschen Handballern gelingt in einer kuriosen Zusammensetzung ein bemerkenswerter Sieg gegen Polen. Torwart Bitter, 39, und Talent Köster, 21, ragen heraus - doch wie das Turnier für Deutschland weiter geht, ist unklar.
Was blieb, das war der grimmige Blick von Torwart Johannes Bitter, und das Lächeln von Julian Köster. Während der Keeper bei jeder Parade und jedem Ball, der nicht in seinem Tor landete, die Faust ballte und seinen Willen demonstrierte, lächelte Köster irgendwann nur noch vor sich hin. Es sah so leicht aus, was der 21-Jährige da fabrizierte: Ein Hüpfer in die Luft, vorbei am Gegenspieler, dann ließ er den Ball ins Kreuzeck zischen. So warf er drei Tore, vier Tore, schließlich Nummer fünf und sechs. Derjenige, der all dies am wenigsten glauben konnte, war Köster selbst.
Der alte Bitter (ja, das darf man sagen) und der junge Köster waren die entscheidenden Pole beim furiosen 30:23-Sieg der deutschen Handballer gegen Polen. Nach all den schlechten Nachrichten der vergangenen Tage, als die Zahl der Coronafälle im Team von zwei auf neun geschnellt war, hätte eine klare Niederlage im letzten Vorrundenspiel gegen Polen niemanden verwundert - doch es kam so völlig anders.
Was, der spielt sonst in der zweiten Liga? Julian Köster bei seinem sehr starken Auftritt gegen Polen.
Auf der Platte stand ein Team, das nie zusammen trainiert hat - und bei dem nie vorgesehen war, dass es so zusammen spielt. Mit neun Akteuren, die seit Turnierbeginn dabei sind, darunter, Köster, ein Riesentalent aus der zweiten Liga, auf das Bundestrainer Alfred Gislason sehr große Stücke hält, das bei der EM aber eigentlich bloß reinschnuppern sollte in die große Handballwelt. Und mit fünf Nachrückern, die eilig aus Deutschland eingeflogen wurden, darunter Bitter, 39, der seine Karriere im DHB-Team nach 170 Länderspielen für beendet erklärt hatte - und jetzt, in der Not, über 60 Minuten im Tor stand.
Als Bitter im Januar 2002 sein erstes Länderspiel absolvierte, war Köster, Jahrgang 2001, ein Jahr alt. Jetzt ackerten sie zusammen, in einer der kompliziertesten Situationen für den deutschen Handball. Köster traf, Bitter hielt.