Ein Rennen für die Sportbücher
Süddeutsche Zeitung
Nach kilometerlanger Aufholjagd zeigt Vinzenz Geiger einen entfesselten Schlussspurt - und schnappt seinem Teamkollegen Johannes Rydzek die sicher geglaubte Goldmedaille weg.
Die Szene dieses Rennens hätte alle Chancen, im Netz weiterzuleben- oder auch im Fernsehen noch eine Weile eingespielt zu werden. Und wer weiß, vielleicht verschafft sie auch der Nordischen Kombination ein bisschen Werbung, einem Nischensport, der alle vier Jahre die große Bühne bekommt und oft auch nutzt.
Ein Langläufer erklimmt schnellen Schrittes den letzten Anstieg vor dem Ziel und freut sich, weil er in Führung liegend Gold vor Augen hat. Wer soll ihn noch aufhalten, könnte Johannes Rydzek in diesem Moment gedacht haben, er hatte ja alles richtig gemacht. Doch was ihn dann überholte, das war nicht nur eine Reihe von Langläufern, das war ein Zug, der nicht nur an ihm vorbeigerauscht war, sondern ihn psychisch, man muss sagen, plattgemacht hat.
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Dieser Kombinationstag bot jedenfalls alles auf, was dieser Sport bietet, an technischen Fertigkeiten beim Skispringen, an den taktischen Varianten bei der Verfolgungsjagd im Langlauf und an finaler Zuspitzung, wenn die Ziellinie schon zum Greifen nahe - und doch noch endlos weit weg ist. Als Fünfter knickte Rydzek schließlich in den Schnee, Olympiasieger wurde sein dann noch länger im Zielraum vor Freude brüllender Besieger Vinzenz Geiger, was Rydzek wiederum schneller verkraftet haben dürfte, denn Geiger ist sein Teamkollege, ebenfalls aus Oberstdorf. Ihm folgte als Zweiter der Norweger Jörgen Graabak vor Bronzegewinner Lukas Greiderer aus Österreich.
Doch dies sind eher äußere Fakten, die Geschichten dieses Rennens begannen teils früher, bei Vinzenz Geiger mit dem Rückschlag nach der Ankunft in Peking. Seine beiden Kollegen Terence Weber und Eric Frenzel, Olympiasieger von Pyeongchang, waren corona-positiv, Geiger wiederum Kontaktperson. Die Mannschaft war also geschwächt, und Geiger durfte zwar am Training teilnehmen, jedoch nur unter Auflagen, Pannen und Hektik.