Die bildende Kunst will heute lieber denken als erzählen
Die Welt
Das Leben will geschildert und von der Liebe muss erzählt werden. Die Literatur verbreitet Geschichten so beharrlich wie der Film. Aber ausgerechnet die Kunst, die einst so bildgewaltig erzählen konnte, hat ihre Fähigkeit verloren – ein Jammer.
Das Leben will geschildert und von der Liebe muss erzählt werden. Die Literatur verbreitet Geschichten so beharrlich wie der Film. Aber ausgerechnet die Kunst, die einst so bildgewaltig erzählen konnte, hat ihre Fähigkeit verloren – ein Jammer. Alle Monate ein neuer Roman. Jede Woche ein neuer Film. Das Erzählen kann kein Ende nehmen. Und nie hat man genug an den Geschichten, die man alle kennt und die uns immer wieder faszinieren. Nur die Kunst schweigt. Versteckt sich in ihren Zeichen. Schwelgt in Gesten. Blüht in Farben. Hat nichts zu erzählen. War das nicht mal anders? Damals, als sie das vorzügliche Erzählmedium war. Bewundert, verehrt, konkurrenzlos. Hätte sich die Weihnachtsgeschichte so tief ins kollektive Bewusstsein graben können ohne die zugehörigen Bildergeschichten. Ohne Stall, Krippe, Ochs und Esel? Gut tausend Jahre lang haben Maler und gelegentlich auch Malerinnen vom Himmel erzählt und von der Hölle, von Reichen und von Armen, von Sündern und Engeln, vom stolzen Leben am Hof und vom mühsamen Leben auf dem Land. Die zugehörige Literatur kam eher zögerlich. Lesen konnten ja nicht viele. Aber Bilder ließen sich herumtragen, aufstellen, wegstellen, verbieten, verehren, zerstören, erzählen.
