Die Rückkehr des Hofes – das Ende der bürgerlichen Kunst
Die Welt
Autokratien investieren Milliarden, der Westen kürzt bei der Kultur. Kein Wunder, dass sich die Machtzentren verschieben. Die Kunstwelt wird zunehmend aristokratisch – besonders eine Weltregion gewinnt.
Autokratien investieren Milliarden, der Westen kürzt bei der Kultur. Kein Wunder, dass sich die Machtzentren verschieben. Die Kunstwelt wird zunehmend aristokratisch – besonders eine Weltregion gewinnt. Die Freiheit der Kunst ist eine schöne, wenngleich historisch erstaunlich junge Idee. Vor der Moderne war Kunst weder frei noch egalitär. Über Jahrhunderte hing nahezu die gesamte europäische Kunstproduktion von einer feudalen Oberschicht ab. Ohne die Gunst von Fürsten und Prälaten hätte es keine Künstler gegeben; ohne Paläste, Schlösser und Kirchen, die ausgestattet werden wollten, wären kaum Kunstwerke entstanden. Die Stilgeschichte von der Renaissance bis zum Rokoko wäre undenkbar ohne den Repräsentationswillen der Monarchen, Aristokraten und des Klerus – und ihr reichlich fließendes Geld. Im Barock traten erste Kaufleute, im 19. Jahrhundert dann verstärkt auch Bankiers, Industrielle und Verleger auf den Plan. Im 20. Jahrhundert setzte sich das Modell durch, das uns heute selbstverständlich erscheint: Galerien verkaufen Kunst, Sammler und Stiftungen kaufen sie, Museen stellen sie aus. Die Kunstwelt ist ein im Kern bürgerliches System – doch genau diese Epoche scheint gerade zu Ende zu gehen. Ein Blick in die aktuelle Liste „Power 100“ – das englischsprachige Magazin „ArtReview“ kürt jedes Jahr die einflussreichsten Personen des globalen Kunstbetriebs – bestätigt den Trend: Auf Platz 2 rangiert Scheicha Al-Mayassa bint Hamad bin Khalifa Al-Thani, die Schwester des amtierenden Emirs von Katar. Eine Frau, die laut Jury „die Fähigkeit – und die Mittel – besitzt, das Unmögliche möglich zu machen“. Vor einigen Jahren stand sie bereits auf Platz 1. Es war die Zeit, als sie nahezu jede große Kunstmesse besuchte und mit unermesslichem Budget für die wachsende Museumslandschaft von Doha einkaufte. Mit der Sammlung wuchs der Einfluss. Neuestes Stück im katarischen Kunstportfolio ist der eigene Länderpavillon auf der Biennale von Venedig. Das Emirat darf nach einer großzügigen Spende an die Lagunenstadt in bester Lage bauen, obwohl die Giardini offiziell „seit Jahrzehnten voll“ sind. Scheicha Al-Mayassa ist die Architektin einer nationalen Soft-Power-Strategie, die Kultur gezielt einsetzt, um Katar auf der globalen Landkarte neu zu positionieren: von den gigantischen Museen bis zur Art Basel, die 2026 erstmals eine Messe in Doha veranstalten wird.
