Anne Imhof schickt Liebesgrüße aus der Influencer-Hölle
Die Welt
Vom Goldenen Löwen der Venedig-Biennale zum Instagram-Sternchen: Warum die deutsche Starkünstlerin Anne Imhof ein-, zwei-, dreimal zu oft mit dem Zeitgeist ins Bett gestiegen ist – und nun als Queen of Uncool erwacht.
Vom Goldenen Löwen der Venedig-Biennale zum Instagram-Sternchen: Warum die deutsche Starkünstlerin ein-, zwei-, dreimal zu oft mit dem Zeitgeist ins Bett gestiegen ist – und nun als Queen of Uncool erwacht. Coolness ist eine volatile Währung. Die Übergänge vom Bull-Market zur Blase sind fließend, und ist sie erst geplatzt, fühlt sich nichts so gestrig an wie der Hype vom vergangenen Jahr. Nirgends sind diese Mechanismen besser zu studieren als in der Mode, wo die Halbwertzeiten systemisch eingepreist sind und von Saison zu Saison ein neuer Look ausgerufen wird. Aus diesem Grund ist es bildenden Künstlern, die sich ihren Platz in einer auf Dauer zielenden Kunstgeschichte zu erkämpfen haben, dringend abgeraten, zu oft, zu lang und zu ungeschützt mit der Fashion-Industrie ins Bett zu gehen. Ein einziger Front-Row-Auftritt ist schon einer zu viel, so die Faustregel, die man Anne Imhof während ihres Studiums an der Frankfurter Städel-Akademie nicht oft genug eingebläut zu haben scheint. Im Gegenteil: Nachdem sie 2017 mit ihrer Performance im Deutschen Pavillon der Venedig-Biennale die internationale Kunstwelt in Hysterie versetzte, wurde sie zur offiziellen Muse des Designers Demna Gvasalia. Nun durfte sie von der ersten Reihe aus verfolgen, wie ihre damalige Lebensgefährtin Eliza Douglas als Model die an Imhof-Choreografien erinnernden Balenciaga-Schauen eröffnete. Es sollte ein perfekter Sturm werden, auch auf dem Laufsteg, wo Demna – im März 2022 und auf dem Höhepunkt seines Erfolgs – Eliza Douglas durch ein Schneetreiben schickte. Der von Imhof und ihren Performern geprägte und durch Balenciaga und das Berghain global gepushte Stil – ein strikt in Schwarz gehaltener und mit demonstrativem Ennui zur Schau getragener Gothic-Sportswear-Hybrid – eroberte schnell die Hipster-Enklaven der internationalen Metropolen. Was dazu führte, dass die Eröffnungen von jungen Galerien und die Schlangen vor Techno-Clubs irgendwann an Versammlungen eines Todes-Kultes erinnerten, in dem schon auffiel, wer aus Versehen zu einem navyfarbenen Outfit gegriffen hatte.
