Der erste Dämpfer
Süddeutsche Zeitung
Die coronageplagten deutschen Handballer sind gegen Titelverteidiger Spanien beim 23:29 chancenlos. Schon am Freitagabend wartet der nächste Gegner Norwegen - noch ist das Halbfinale möglich.
Um 13.07 Uhr konnte Alfred Gislason loslegen. Da kam die Nachricht des europäischen Handballverbandes EHF, dass sich kein weiterer deutscher Spieler bei der Europameisterschaft in Ungarn und der Slowakei mit dem Coronavirus infiziert hatte. Also blieben dem Bundestrainer fünf Stunden Zeit, seine Auswahl auf das erste Hauptrundenspiel vorzubereiten, das zweifellos wichtigste im bisherigen Turnierverlauf. Ohne Training, mit virtueller Videoanalyse (die Spieler waren bis zur Abfahrt in die Halle in ihren Einzelzimmern) und der Vorgabe, wieder ein paar kurzfristig nachgereiste Akteure in Mannschaft und System einzubauen.
Dabei musste der Isländer schon froh sein, überhaupt einen vollständigen Kader zur Verfügung zu haben. Im letzten Vorrundenspiel gegen die Polen etwa stand im nachnominierten Jogi Bitter nur ein etatmäßiger Torhüter im Kader - die beiden Stammkräfte Andreas Wolff und Till Klimpke sitzen seit geraumer Zeit isoliert in ihren Einzelzimmern, sie sind zwei der bisher insgesamt elf infizierten Profis. Eigentlich waren ja zwölf Spieler isoliert worden, aber Christoph Steinert bekam kurz vor Spielbeginn die Nachricht, dass er fälschlicherweise positiv getestet worden war. Steinert suchte im Hotel eilig seine Sachen zusammen, dann rannte er zur Halle. Die jüngste Volte dieser so kuriosen Europameisterschaft.
Das vierte Spiel bei dieser EM bringt die erste Niederlage: Titelverteidiger Spanien ist zu stark - trotzdem ist in der Hauptrunde weiter alles möglich.
Der Gegner zum Auftakt in der Hauptrunde, an deren Ende die zwei Bestplatzierten in das Halbfinale einziehen, war Titelverteidiger Spanien, der das Spiel letztlich klar mit 29:23 gewann. "Wir haben zu viele Fehler gemacht", resümierte Gislason, "dann hast du gegen eine Mannschaft wie Spanien keine Chance." Die Iberer waren mit drei Siegen durch die Vorrunde spaziert, was auch der deutschen Mannschaft gelungen war, die den Nachteil der vielen Ausfälle bislang mit enormem Kampfgeist und Siegeswillen wettgemacht hatte. Zwar musste auch der spanische Trainer Jordi Ribera in Joan Cañellas und Ian Tarrafeta auf zwei wichtige Akteure verzichten, im Vergleich zu Gislason konnte er aber auf eine vergleichsweise eingespielte Mannschaft zurückgreifen.
Denn Ribera konnte im Gegensatz zu den Deutschen, die angesichts der unsicheren Lage Kontakte minimierten, mit seinem Team zweimal trainieren. Trotz allem hatte Spaniens Kapitän Gedeon Guardiola vor einem Gegner "mit viel Physis, Qualität und Ehrgeiz" gewarnt. Der spanische Abwehrspezialist spielt seit zehn Jahren in der Bundesliga, kennt die Spieler also aus dem Effeff - und er sollte zunächst Recht behalten.