Constanze Neumann „Wellenflug“ & Jo Lendle „Eine Art Familie“: Arten von Familie
Frankfurter Rundschau
Helden ohne heroisches Leben: Die Verlegerin Constanze Neumann und der Verleger Jo Lendle schreiben über prägende Verwandte.
In Berlin und Leipzig könnten die Helden ihrer Bücher einst dieselben Wege gegangen sein. Doch nicht nur eine räumliche Nähe besteht zwischen den Romanen von Constanze Neumann und Jo Lendle: Beide erkunden die Vergangenheit ihrer Familien jeweils in der Zeit vor ihrer Geburt. Sie wählen die Romanform zum freieren Erzählen und zeigen damit, wie Prägungen entstehen.
Obwohl der biografische Anknüpfungspunkt jeweils ein Mann ist, bei Constanze Neumann der Urgroßvater, bei Jo Lendle der Großonkel, nehmen Frauenfiguren viel Raum ein. Schließlich erlaubt es auch die Autorschaft, die Bücher zusammen zu betrachten. Eine Verlegerin, ein Verleger: Constanze Neumann verantwortet das literarische Programm von Aufbau in Berlin, Jo Lendle ist Chef des Carl-Hanser-Verlags in München. Dennoch sind, das muss nun endlich gesagt werden, ihre Bücher sehr unterschiedlich.
Grobe Angaben über das Leben des Pharmakologen Ludwig Lendle (1899-1969) lassen sich leicht im Internet finden. Sein Wechsel 1949 aus Leipzig nach Göttingen deutet mit der Jahreszahl auf eine politische Entscheidung hin, denn damals entstanden aus den Besatzungszonen zwei deutsche Staaten. Jo Lendle aber führt ihn privat ein: „In der Familie wurde er Lud genannt.“ Der Blickwinkel ist also klar.