Bis der Körper dem Druck nicht mehr standhält
n-tv
Drei Todesfälle unter den WM-Journalisten schockieren die Presse in Katar. In die Berichterstattung des Turniers hat sich eine gnadenlose Überarbeitung eingeschlichen, die für einen gefährlichen Sog sorgt. Eine Geschichte über Rausch, Kollaps und die ungesunde Leistungsgesellschaft.
"Drei Wochen mit wenig Schlaf, hohem Stress und sehr viel Arbeit haben dazu geführt, dass mein Körper schlapp macht", schreibt der US-Journalist Grant Wahl Anfang vergangener Woche in seinem WM-Blog, "was anfangs eine Erkältung war, hat sich in der Nacht des Achtelfinals zwischen den USA und den Niederlanden in etwas Ernsteres entwickelt. (…) Nun habe ich Antibiotika bekommen und (…) es geht mir ein bisschen besser. Aber noch immer: No bueno!". Wahl macht weiter. Zweimal begibt er sich nach eigenen Angaben in ärztliche Behandlung. Am frühen Samstag bricht er beim Viertelfinalspiel Argentinien gegen Niederlande zusammen. Jede Hilfe kommt zu spät. Der Reporter stirbt. Die Todesursache ist noch ungeklärt.
Im Anschluss an das größtmögliche Unglück, das die Autoren dieses Textes aus nur wenigen Metern Entfernung beobachten, herrscht Sprachlosigkeit. Wie konnte das passieren? Es ist ein Moment, in dem ein erschreckter Rückblick auf die vergangenen Wochen bei der Fußball-WM zeigt, wie sehr sich bei vielen Journalistinnen und Journalisten in Doha eine Arbeitsweise eingeschlichen hat, die keine Ruhe duldet und meist auch überhaupt nicht ermöglicht. Das hängt mit dem Turnier, den Anstoßzeiten und mit den Arbeitsbedingungen zusammen, die auf den ersten Blick ideal erscheinen, den Körper jedoch einem steten und abrupten Wechsel der Temperaturen aussetzen. Das hängt mit dem Rausch im Turnier genauso zusammen, wie mit der nervenzerfetzenden Lautstärke, der nicht zu entkommen ist.
Die dichte Taktung des Turniers mit vier Spielen pro Tag in der Gruppenphase, die für den europäischen Markt angenehmen, vor Ort aber herausfordernden Anstoßzeiten der späten Partien um 22 Uhr Ortszeit reißen die Autoren in einen irrationalen, schwarzen Tunnel, in dem es nur noch um die Wege, die Spiele, die Texte, die Pressekonferenzen und tausend andere Themen geht. Zu viel Stress gab es auch bei den Weltmeisterschaften 2010, 14, oder 18 - aber anders als bei vorherigen Turnieren ist es in Katar während der Vorrunde möglich, zwei, vielleicht sogar mehr Spiele pro Tag zu sehen. Ein Privileg, aber auch ein Problem.