Beim DFB ging ja nicht alles schief
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Das Jahr läuft für den DFB katastrophal. Aber nein, nicht für den ganzen Fußball-Verband. Die Frauen trumpfen auf. Während der Europameisterschaft entfachen sie einen Hype, der anhält. Die Bundesliga feiert nie gekannte Zuschauerzahlen, die Spielerinnen sind Vorbilder - und die WM folgt schon bald.
Ist es der Moment, in dem Lina Magull mit einer Träne im Auge leise "Danke" in die Kamera sagt, weil Tausende Fans unten am Frankfurter Römer stehen und die Vize-Europameisterinnen feiern? Ist es der Moment, in dem Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg nach dem ersten Nach-EM-Spiel in Deutschland in Dresden auf dem Fahrersitz des von Fans umringten DFB-Busses sitzt und Autogrammkarten aus dem Fenster reicht? Oder ist es der Moment, in dem die Werder-Frauen trotz akuter Abstiegsnot mit mehr als 20.000 Fans im Weserstadion feiern und dabei viele Tränen fließen? Für jede und jeden wird es ein anderer Moment sein, der die Gänsehaut transportiert, der die Wucht des Jahres 2022 ausdrückt. Der Fußball der Frauen, er ist wieder da. Aufgetaucht aus den von Zuschauerdesinteresse geprägten Jahren, haben sie ein neues Feuer entfacht.
Eigentlich ist es sogar nur ein Halbjahr, dass das Leben von Alexandra Popp und Co. durcheinanderwirbelt. Zur Europameisterschaft nach England reist das DFB-Team Anfang Juli begleitet von großer Skepsis - und kehrt am 1. August zurück als gefeierte Stars. Vier Wochen reichen aus für den völligen Imagewandel. Von einem Team, von dem kein Kritiker so recht weiß, was es kann, zu einem zusammengeschweißten Team voller Sympathieträgerinnen, die noch dazu Vize-Europameisterinnen geworden sind.
Während die DFB-Männer Ende des Jahres ins Debakel stolpern und den DFB ins Chaos stürzen, haben sich die Frauen den Auftritt im feinen Zwirn bei der Wahl zum Sportler des Jahres verdient, Dritte werden sie bei der Wahl der Mannschaften, sie tauschen Trikot und Stutzen für Glitzerhose und Blazer. Sie werden ausgezeichnet für ein sportlich starkes Turnier. "Es ist toll, dass unsere Leistungen nun auch im Rahmen dieser Gala honoriert worden sind. Wir sind sehr, sehr stolz darauf", so Popp. Sie werden ausgezeichnet für ihren Erfolg, ganz sicher aber auch dafür, dass sie Persönlichkeiten sind, nahbar, entspannt, meinungsstark. Sie schaffen es, das Publikum mitzureißen, mit ihnen können sich viele identifizieren. Sie leben vor, was etwa während der WM der Männer noch diskutiert wird: "Themen wie Diversität, Gleichberechtigung, Diskriminierung sind viel öffentlicher geworden", betonte auch Voss-Tecklenburg.
Jan Reichert vom Zweitligisten 1. FC Nürnberg stößt nach dem EM-Aus für Alexander Nübel als vierter Torhüter zur deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Der 22-Jährige, der dieses Jahr vor allem in der Regionalliga zum Einsatz kam und nur ein Zweitligaspiel für die Franken bestritt, ist "völlig perplex".