Auf Rogers Spuren
Süddeutsche Zeitung
Rafael Nadal fehlte ein halbes Jahr, es war unklar, ob er bei den Australian Open würde antreten können. Nun steht der Spanier im Halbfinale - und könnte einen Coup wiederholen, der dem Schweizer Roger Federer 2017 gelungen war.
Natürlich machte er diese Pose. Vier Schritte vor, Beine auseinandergespreizt, Arme hoch, Kopf in den Nacken. Jubel der Zuschauer in der Rod Laver Arena brandete auf. Die Show beherrscht er schon auch. Kurz darauf stand Rafael Nadal bei Jim Courier, dem smarten On-Court-Interviewer, der selbst zweimal als Sieger dieses Turniers in den Yarra River gesprungen war. Wie er dieses Match noch gedreht habe, wollte der nun 51-Jährige wissen. "Ich weiß es nicht, ehrlich", presste Nadal, 35, hervor: "Ich war komplett zerstört." Dafür sah er nun ziemlich vital aus.
Mit 6:3, 6:4, 4:6, 3:6, 6:3 hatte er, der 20-malige Grand-Slam-Gewinner aus Mallorca, in den 4:08 Stunden davor den kernigen Kanadier Denis Shapovalov tatsächlich noch bezwungen. Der 22-Jährige, 14. der Weltrangliste, hatte in der Runde zuvor Alexander Zverev klar besiegt. Jetzt lesen sich wieder die Nachrichten wie so oft: Nadal, Nadal, Nadal. Steht also zum siebten Mal in Melbourne im Halbfinale. Am Freitag kämpft er zum 36. Mal um den Einzug ins Finale.
Die Französin Alize Cornet erreicht bei ihrer 63. Grand-Slam-Teilnahme erstmals das Viertelfinale. Auch bei den Männern gibt es mit zwei Kanadiern Überraschungen.
Nur einmal holte er indes den Titel bei den Australian Open, 2009, mit Sicherheit schielt er heimlich auf den Sonntag, den Endspieltag. Was wäre das auch für eine Pointe: "Vielleicht schafft er das, was Roger schaffte", orakelte bereits John McEnroe, die frühere Nummer eins, als kundiger Kommentator bei Eurosport. 2016 hatte der Schweizer Roger Federer ja ein halbes Jahr gefehlt. Im Bad war er ausgerutscht, als er sich um die Kinder gekümmert hatte. Er kurierte seine Knieverletzung aus, reiste nach Melbourne - und triumphierte spektakulär.
Wie aus dem Nichts würde jetzt auch ein Titelgewinn Nadals wirken. Dass Federer fehlte, war klar. Mit 40 ist seine Zukunft auf dem Platz ohnehin ungewiss. Novak Djokovic galt als nahezu unschlagbar. Doch die Visum-Affäre kostete ihn die Turnierteilnahme. Nadal? Der flog still und leise nach Australien, postete ein Foto von sich auf dem Hauptplatz und schrieb dazu: "Sagt es keinem ... hier bin ich." So überrumpelte er alle.