Nachruf auf Peter Bogdanovich: Die andere Seite der Liebe
Frankfurter Rundschau
Peter Bogdanovich war der größte unter den cinephilen Regisseuren. Hollywood verliert mit ihm auch einen seiner wichtigsten Chronisten.
Los Angeles - Anfang der 60er Jahre erlebte die US-amerikanische Filmindustrie die größte Krise ihrer Geschichte. Doch während das mächtige Studiosystem implodierte, traf es auf Hilfe von unerwarteter Seite: Eine Gruppe junger Cinephiler war mit Leidenschaft dabei, die Spuren der verschwindenden Kunst zu sichern und Pläne für ihre Zukunft zu schmieden. Ähnlich der französischen Nouvelle Vague, die zehn Jahre zuvor aus der Filmkritik entstanden war, wurde daraus das „New Hollywood“ geboren.
Peter Bogdanovich trug als junger Filmkritiker und Kurator von Filmreihen am Museum of Modern Art die Autorentheorie der Franzosen nach Amerika. Hollywoods Altmeister zeigten sich oft überrascht vom Wissen, das er über sie angehäuft hatte. Und auch wenn sie, wie etwa John Ford, so taten, als hätten sie nichts mit der Kunst am Hut, die er ihnen attestierte, ließen sie es sich doch gefallen. Niemand führte mehr grundlegende Interviews mit Pionieren wie Fritz Lang, Howard Hawks, Leo McCarey, George Cukor oder Alfred Hitchcock als Peter Bogdanovich. Sein Eifer stoppte nicht bei dem Kanon, den die Franzosen abgesteckt hatten. Dem kaum beachteten Gründervater des modernen Erzählfilms, Allan Dwan, widmete er ein ganzes Buch.
Als der 29-jährige Bogdanovich dann 1968 mit der Roger-Corman-Produktion „Bewegliche Ziele“ selbst als Regisseur reüssierte, hatte er auf diese Weise die beste Filmschule der Welt durchlaufen. Dieser minimalistische Horrorfilm um einen Amokschützen, der sich am Ende in einem Autokino verschanzt, wirkt wie ein künstlerisches Manifest: Man musste das Kino nicht neu erfinden, um es wiederzubeleben. Es reichte, seine klassischen Formen und einfachen Sensationen zu feiern, die Schönheit der Montage und der plastischen Charaktere.
Es störte die alten Filmemacher, die oft zu seinen Freuden wurden, kaum, dass sie bald ihre eigenen Klassiker in den Werken des ehrgeizigen Brillenträgers wiedererkannten. Sein Welterfolg „Is was, Doc?“ war eine offene Hommage an Howard Hawks’ legendäre Screwball-Komödie „Leoparden küsst man nicht“. Die Liebe zum Kino zieht sich wie ein roter Faden durch Bodgdanovichs Werk: In seinem vielleicht bedeutendsten Film, „Die letzte Vorstellung“ (1972), ist die Schließung eines Kleinstadtkinos Anlass für ein melancholisches Gruppenporträt junger Erwachsener. 1990 trommelte er die Hauptdarsteller für die kongeniale Fortsetzung „Texasville“ noch einmal zusammen. Seine Gaunerkomödie und zärtliche Vater-Tochter-Geschichte „Paper Moon“ verströmt den authentischen Charme des amerikanischen Kinos in der Epoche seiner Unschuld, den 20er und frühen 30er Jahren.
Diese Filme waren große Erfolge, doch das Blatt wendete sich Mitte der 70er Jahre. Obwohl auch „Nickelodeon“, seine Hommage an den Patentkrieg der Filmpioniere der 10er Jahre, noch heute großen Reiz entfaltet, war sie 1975 ein teurer Flop. Lässig hatte der einstige „golden boy“ Angebote wie „Der Pate“, „Chinatown“ oder „Der Exorzist“ abgelehnt – und nun für die Produzenten plötzlich seinen „golden touch“ verloren. Auch für die Boulevardmedien war Bogdanovich ein Thema, seit er 1971 seine Ehefrau, die Ausstatterin, Kostümbildnerin und Drehbuchautorin Polly Platt, für den Jungstar Cybill Shepherd verlassen hatte.