Krebsforschung mit neuer Therapie – Tumorzellen von innen gezielt bestrahlen
Frankfurter Rundschau
Die neuartige PSMA-Radioliganden-Therapie kann die Lebenserwartung bei forgeschrittenem metastasiertem Prostatakrebs verlängern. Behandlung auch bei anderen Krebsarten denkbar
Frankfurt – Bei Prostatakrebs geht die Schere weit auseinander: Wird ein Tumor früh erkannt, sind die Heilungschancen sehr hoch, handelt es sich um eine langsam wachsende Form, reicht sogar oft eine Beobachtung aus. Ganz anders sieht es bei sehr aggressiven Tumoren aus – und umso schlechter, wenn sich bereits Metastasen gebildet haben. „Bei diesen Männern stehen wir relativ bald mit dem Rücken zu Wand“, sagt Boris Hadaschik, Direktor der Urologischen Klinik am Universitätsklinikum Essen. Jährlich werden in Deutschland 14 000 Todesfälle durch Prostatakrebs verzeichnet. Fast allen ist ein Stadium vorangegangen, in dem moderne Hormon- und Chemotherapien nicht mehr wirken, weil die Tumorzellen Resistenzen entwickelt haben. Die Hormontherapien – auch medikamentöse Kastration genannt – unterdrücken die Produktion männlicher Geschlechtshormone. Das soll bewirken, dass Krebszellen „einschlafen“ – leider aber funktioniert das nicht immer auf Dauer.
Für Patienten mit einer solchen „Kastrationsresistenz“ – so der für Laien etwas irritierend anmutende Fachbegriff – gibt es nun mit der PSMA-Radioliganden-Therapie eine neue Behandlungsoption, die zwar in diesem fortgeschrittenen Stadium keine Heilung versprechen, aber doch die Lebenszeit verlängern kann – nach heute verfügbaren Daten um etwa vier Monate. Das mag zunächst nicht nach viel klingen, ist aber vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Betroffenen in diesem Stadium der Erkrankung durchschnittlich nur noch ein Jahr leben. Bewährt sich die Therapie bei diesen bislang nur palliativ behandelbaren Patienten, so könnte sie in einigen Jahren möglicherweise auch schon zu einem früheren Zeitpunkt eingesetzt werden, dann mit dem Ziel der Heilung, sagt Boris Hadaschik.
Nachdem die positiven Ergebnisse einer großen internationalen Phase 3-Studie im Fachmagazin „New England Journal of Medicine“ veröffentlicht wurden, ist nun bald mit der Zulassung der PSMA-Radioliganden-Therapie in Europa und den USA zu rechnen. Beteiligt an dieser „Vision“-Studie waren Teams aus mehreren Ländern, darunter auch Forschende des Universitätsklinikums Essen sowie der Schweizer Pharmakonzern Novartis.