Hartz-IV-Sanktionen bei "stern TV am Sonntag"
RTL
In einem Modellversuch sollen die Hartz-IV-Sanktionen abgeschafft werden. Doch ist das ein sinnvoller Schritt? Darüber diskutierten die Teilnehmer.
Ab Mittwoch, 1. Juni, werden die meisten Sanktionen für Hartz-IV-Empfänger abgeschafft. Aber ist das wirklich richtig? Darüber diskutierten am Sonntagabend die Gäste bei "stern TV am Sonntag" bei RTL.
Einem nackten Mann kann man nicht in die Tasche greifen. Außer, er ist Hartz-IV-Empfänger. Denn Menschen mit Grundsicherung können mit Sanktionen belangt werden. Das heißt, ihnen können Leistungen gestrichen werden, wenn sie sich weigern, Weiterbildungen anzunehmen oder wenn sie Termine beim Jobcenter versäumen.
Sandra Schlensog kritisiert das – die "Hartz-IV-Rebellin", wie sie von verschiedenen Medien genannt wird, lebt mit ihrem 13-jährigen Sohn von der Grundsicherung. Sie ist 44 Jahre alt. Mit 16 hat sie eine Ausbildung zur Bürokauffrau absolviert. Heute stockt sie ihre Hartz-IV-Hilfe mit einem Minijob auf. Trotzdem bleiben der kleinen Familie nach Abzug aller Fixkosten gerade mal 340 Euro im Monat zum Leben. Das sind fünf Euro täglich für Lebensmittel, sagt sie.
Auch sie hat Sanktionen erlebt. Da habe sie einen einzigen Termin beim Jobcenter nicht wahrnehmen können, wegen einer Knieverletzung ihres Sohnes. Schlensog ist gemeinsam mit dem ehemaligen CDU-Politiker Wolfgang Bosbach Gast bei "stern TV". Der wundert sich über die verhängten Sanktionen, denn schließlich sei Sandra Schlensog schuldlos ihrem Termin ferngeblieben.
Bosbach findet es richtig, Hartz-IV-Empfängern Leistungen zu kürzen, wenn sie sich schuldhaft verhalten haben. "Die Betroffenen müssen sich darum bemühen, ihren Lebensunterhalt auf dem Arbeitsmarkt wieder zu verdienen. Wenn es schuldhaft an diesen Bemühungen fehlt, müssen sich daran auch Konsequenzen abzeichnen", sagt der ehemalige Politiker. Allerdings werde nur eine ganz kleine Zahl von Hartz-IV-Empfängern überhaupt mit Sanktionen belegt. Laut Bosbach sind das ein Prozent, laut Schlensog bis zu drei.
Recht haben gewissermaßen beide: Wie die Bundesagentur für Arbeit angibt, wurden vor der Pandemie (2017-2019) ungefähr drei Prozent aller Hartz-IV-Empfänger sanktioniert, in 2020 und 2021 ungefähr ein Prozent.
Doch in einigen Regionen in Deutschland kann das Verhältnis anders aussehen: So listet die Landesarbeitsagentur in Sachsen-Anhalt für 2021 rund 9.800 Sanktionen für ca. 119.000 Hartz-IV-Empfänger. Das sind rund acht Prozent. Vor der Corona-Pandemie war die Zahl jedoch deutlich höher. 2019 wurden in Sachsen-Anhalt 35.000 Mal Sanktionen ausgesprochen, also gegen 29 Prozent der Hartz-IV-Empfänger in diesem Bundesland. Das meldete die Deutsche Presseagentur am 14. Mai.
Die Prozentangaben sind natürlich ungenau, denn gegen einzelne Hartz-IV-Empfänger können mehrfach Sanktionen verhängt worden sein. Und: Diese Zahlen kannten die Gäste bei "stern TV am Sonntag" nicht.