Grace Cummings „Storm Queen“: Es ist Winter jetzt
Frankfurter Rundschau
„Storm Queen“, ein bewegendes Album der Australierin Grace Cummings.
Gerade hat man vielleicht noch Geschirr in die Spülmaschine geräumt, nebenbei und eher achtlos auf dem Laptop den Stream eines Albums mit dem Titel „Storm Queen“ gestartet: Da verlangt eine echte Sturmköniginnenstimme schon die volle Aufmerksamkeit. Setzt direkt ein, ohne Vorgeplänkel, ist tief, rau, strahlt eine Dringlichkeit aus, die einen sofort die Ohren spitzen lässt. Und singt, in „Heaven“, von einem Himmel ohne Gott, dafür mit Gesang: „Yet you hear, you hear / a singing“. Wie zum Beleg steigt ein kraftvolles, seelenvolles „Ave Maria“ auf.
Die Frau, der diese Stimme gehört, heißt Grace Cummings, ist Australierin, geboren in Melbourne, sie hat früh Gitarre gespielt, doch eine Schauspielausbildung gemacht. Und nun ihr zweites Album herausgebracht. Zuordnen könnte man es am ehesten dem Folk, überwiegend begleitet sie sich auf der akustischen Gitarre. Aber im Grunde steht Cummings abseits, mit etwas rätselvollen Texten (sie verehre Bob Dylan, heißt es), mit einer Instrumentierung, die so sparsam wie originell ist. Ein Saxofon bratzt im Titelsong „Storm Queen“, ein zart, etwas unheimlich jammerndes Theremin zieht Klangschlieren durch „Fly a Kite“. Ja, das könnten die Spuren eines Drachens an einem dunkelnden Himmel sein.
Die Namen von Janis Joplin und Grace Slick fielen schon im Zusammenhang mit Grace Cummings’ Stimme. Die grollen und röhren kann, als habe sie gerade noch Whisky mit Reißzwecken gegurgelt. Die aber auch lieblich sein kann, durchaus. Aber diese Sängerin meint es ernst; der erste mächtige Eindruck hat Bestand über alle elf Tracks. Jedes Wort ist mit Bedacht gesetzt, eilig hat es Cummings dabei nicht.
Ein reizendes „Plinkediplinkedipling“ begleitet „Two Little Birds“, eine muntere Fiddle „Here Is the Rose“. Doch sind Grace Cummings’ Songs überwiegend dunkel grundiert, erzählen von Unsicherheit, Getriebenheit, Einsamkeit, von kaltem Regen, fallenden Blättern, Herbststürmen, von „a bit too much weather“, ein bisschen zu viel Wetter. Und oft steht der Tod im Hintergrund, drängt sich nicht auf, ist aber eine stetige Präsenz.
Auf Robert Frost und sein Gedicht „Birches“ nimmt sie in „Up In Flames“ Bezug, Birken, die unter Schnee und Eis gebeugt sind, aber der Sprecher träumt davon, an ihnen zu schaukeln, bis sie ihn behutsam wieder absetzen auf der Erde: „It’s winter now and / I feel like Robert Frost / If only there was a birch tree to hang upon / If only I was a poem“. Wenn ich nur ein Gedicht wäre.