Die Kulturbranche hat aus „Free Palestine“ eine dumme, leere Phrase gemacht
Die Welt
„Free Palestine“-Bekundungen in der Kulturbranche sind längst zu einer hohlen Phrase verkommen. Sie haben politisch so gut wie keine Bedeutung mehr. Ausgerechnet im Deutschrap wurde jetzt allerdings eine Debatte losgetreten, die für die Szene wichtig werden könnte.
„Free Palestine“-Bekundungen in der Kulturbranche sind längst zu einer hohlen Phrase verkommen. Sie haben politisch so gut wie keine Bedeutung mehr. Ausgerechnet im Deutschrap wurde jetzt allerdings eine Debatte losgetreten, die für die Szene wichtig werden könnte. So ist das nun einmal in Zeiten, in denen die Algorithmen auch den Takt der populären Kunst- und Entertainmentbranche vorgeben: Alles unterwirft sich der Logik von Likes und Reichweite. Und so sind Privatleben und Politik, Kunst und Kritik, Promo und Performance nur noch einen Swipe voneinander entfernt, und irgendwo in dem großen, bunten Puzzle fügt sich auch der Kommentar zum Nahost-Konflikt als weiterer Mosaikstein, als weiterer Post in den endlosen Feed von Belanglosem und Existenziellem ein, der in Summe die digitale Repräsentanz eines Künstlers ausmacht. Nun ist auch der Nahostkonflikt etwas, das man in der Kulturszene getrieben vom Algorithmus thematisieren muss – auch Künstler, die offensichtlich weder Ahnung noch politische Bildung haben, fühlen sich bemüßigt, sich zu äußern. Schließlich reden alle darüber und man hat ja ein Herz, will auf der richtigen Seite stehen und deutlich machen, dass man auch eine Meinung hat. Reichweite gibt das auch, also #freepalestine. Das ist natürlich sehr zynisch formuliert, trifft aber den Kern dessen, was viele Künstler hinter vorgehaltener Hand bestätigen. Und das hat Folgen. „Free Palestine“ ist im popkulturellen Kontext mittlerweile zu einer reinen Selbstvergewisserungsphrase geworden, zum Claim, auf der vermeintlich guten, auf der richtigen Seite zu stehen, so wie das in den 1990ern der (mittlerweile wiedergekehrte) „Nazis raus“-Ruf auf Punkkonzerten war. Auf Festivals und Shows fungiert der Ausruf heute zumeist als leere Catchphrase, die dem Publikum entgegengeworfen und mit Applaus quittiert wird, so wie ein „Seid ihr gut drauf?“ Es wäre naiv zu glauben, dass „Free Palestine“ im Bewusstsein der meisten Künstler oder Besucher noch eine tiefere politische Dimension hätte. Die Phrase steht im Selbstverständnis eines sich selbst per se sowieso eher als linksalternativ definierenden jungen Publikums für „Kein Krieg und keine Unterdrückung“, nicht wirklich für eine palästinensische Freiheitsbewegung, aber auch nicht wirklich für Judenhass.
