
"Die Jugendlichen haben ein Recht, zu erfahren, was in diesem Land passiert ist"
n-tv
Semiya Şimşek und Gamze Kubaşık sind befreundet, weil ihre Väter beide von der Terrorgruppe NSU ermordet wurden. Zusammen mit der Journalistin Christine Werner haben sie ein Jugendbuch geschrieben: "Unser Schmerz ist unsere Kraft". Schmerzvoll war nicht nur der Verlust der Väter, sondern auch die Ermittlungen der Polizei - die richteten sich jahrelang vor allem gegen die Familien der Opfer. "Wir konnten nicht trauen, sondern mussten unsere Liebsten verteidigen und sagen: Es ist nicht so, es ist nicht so!", sagt Semiya Şimşek im Interview mit ntv.de.
ntv.de: Sie beschreiben in Ihrem Buch eine Szene, in der ein Polizist zu Ihrer Mutter sagt: "Wenn Sie wissen wollen, wer das getan hat, dann sollten Sie uns helfen, Frau Şimşek." Das war sechs Jahre nach dem Mord an Ihrem Vater und kurz nach dem Mord an Mehmet Kubaşık - und es ist nicht einmal die schlimmste Szene dieser Art. Hat einer der Polizisten von damals sich je bei Ihrer Mutter oder bei Ihnen entschuldigt?
Semiya Şimşek: Wir wurden nach jedem neuen Mord verdächtigt. Jedes Mal wurde gegen uns ermittelt, immer wieder kamen Polizisten zu uns nach Hause, um uns zu fragen, ob wir irgendwelche Personen kennen oder nicht. Nach der Selbstenttarnung der NSU-Terroristen gab es den einen und den anderen Polizisten, der sich bei uns entschuldigt hat. Aber im Laufe der Zeit waren sehr viele Polizisten bei uns. Nicht einmal eine Handvoll hat sich entschuldigt.
