Der Erstickungstod der Ästhetik durch die Moral
Die Welt
Von Biesenbach zum Bullshit-Bingo: Die 13. Berlin Biennale ist die Bankrotterklärung eines immer kunstfeindlicheren Kunstbetriebs – und eine Machtdemonstration des akademischen Milieus, welches ihn zersetzt.
Von Biesenbach zum Bullshit-Bingo: Die 13. Berlin Biennale ist die Bankrotterklärung eines immer kunstfeindlicheren Kunstbetriebs – und eine Machtdemonstration des akademischen Milieus, welches ihn zersetzt. An einem sehr heißen Dienstag Anfang Juli hatte ich die dumme Idee, die 13. Berlin Biennale zu besuchen. Dumm auch deshalb, weil das KW Institute for Contemporary Art in der Auguststraße – seit nunmehr 28 Jahren Hauptort der Biennale – wahrscheinlich ebenso lange immer dienstags geschlossen war und, wie ich nun feststellte, auch während der Biennale dienstags geschlossen bleibt. Glücklicherweise war das Büro besetzt, und nachdem meine Begleiterin und ich uns vorgestellt hatten, wurde die Ausstellung tatsächlich nur für uns geöffnet. Zwei junge Mitarbeiterinnen aus der Kommunikations- und Vermittlungsabteilung begleiteten uns, um auf ihre persönlichen Lieblingsarbeiten hinzuweisen, und auch, wie eine der beiden scherzhaft sagte, „damit ihr nichts klaut“ – was insofern wirklich lustig war, als dass ich in den großen und kleinen Gemäldesammlungen dieser Welt oft über Diebstahl nachdenke, auf politischen Biennalen hingegen nie. Gleich zu Beginn, wir hatten noch nicht das Remake eines überdimensionierten BHs des argentinischen Feministinnen-Kollektivs Las Chicas del Chancho y el Corpiño gesehen, mit dessen Original, wie der Wandtext uns erklärte, 1995 gegen einen „maskulinistischen Provinzgouverneur“ demonstriert worden war, wir hatten noch kaum etwas über die vielfältigen Protestformen gegen die Diktatur in Myanmar gelernt und ahnten noch nicht, dass wir später selbst demonstrieren würden, in einer interaktiven Videoinstallation und ausgerechnet gegen Elon Musks Pläne zur Mars-Besiedlung – gleich zu Beginn also legte man uns nahe, unbedingt in den Garten hinter dem Hauptausstellungsraum zu gehen, um die dortige Installation der burmesischen Künstlerin Nge Nom nicht zu verpassen. Draußen sahen wir einen Mann, der in einem Graben kniete und auf einen Steinblock einhämmerte. So beeindruckt wie ratlos standen wir in der sengenden Hitze – beeindruckt, dass man in so kurzer Zeit nicht nur die Video- und Sound-Arbeiten für uns „hochgefahren“, sondern auch einen Performer in den Graben beordert hatte; ratlos, weil wir den am Garteneingang hängenden Erklärungstext übersehen und unsere Vermittlerinnen diese ihre Lieblingsarbeit vielleicht schon zu oft gesehen hatten, um uns auch hier, bei 35 Grad, noch erklärend zur Seite zu stehen.
