
Aufzeichnungen russischer Militärkommunikation: Desertieren die ersten Streitkräfte?
Frankfurter Rundschau
Mitschnitte der Gespräche russischer Streitkräfte zeigen wachsenden Unmut auf Seiten der russischen Armee. Es gibt sogar Gerüchte über desertierende Soldaten.
Update vom Donnerstag, 10.03.2022, 12.00 Uhr: Seit dem Einmarsch des russischen Militärs in die Ukraine sind inzwischen zwei Wochen vergangen. Zwei Wochen voller Leid und Verlust – nicht nur auf ukrainischer Seite. Je länger der Angriffskrieg andauert, desto mehr scheint die Kriegsmoral der russischen Soldaten abzunehmen. Zweifel machen sich breit. Das geht aus Aufzeichnungen der russischen Militärkommunikation des britischen Nachrichtendienstes ShadowBreak Intl. hervor. Unter anderem sind weinende und schimpfende russischen Soldaten im Ukraine-Krieg* zu hören.
Dass es überhaupt möglich ist, die Gespräche der Soldaten abzuhören und aufzuzeichnen, liegt an der verhältnismäßig schlechten Ausstattung der russischen Truppen. Wie das US-Verteidigungsministerium bereits feststellte, gebe es „Treibstoff- und Logistikengpässe“. Es gibt immer mehr Berichte darüber, dass die russischen Truppen nicht über digitale Militär-Funkgeräte kommunizieren, sondern über einfache Walkie-Talkies. So ist es jedem möglich, die Gespräche der Soldaten über die entsprechenden Sequenzen abzuhören.
Wie aus den Aufnahmen, die Shadowbreak Intl. zu Teilen auf Twitter postete, hervorgeht, schwindet die Moral unter den russischen Truppen. Auch wer kein Russisch versteht, kann heraushören, dass der Umgangston zwischen den russischen Soldaten sehr rau und die Stimmung angespannt ist, auch dass ein Soldat weint, ist für Nicht-Russen zu erkennen. Der Nachrichtendienst selbst hat zahlreiche der Gespräche analysiert und fand heraus, dass es der russischen Armee an Material fehlt, beispielsweise an Karten zur Orientierung. Dadurch macht sich Chaos breit: „Was wir herausgefunden haben, ist, dass die russischen Soldaten in völliger Unordnung operieren“, so Samuel Cardillo, Geschäftsführer von ShadowBreak Intl. „Sie wissen nicht, wohin sie gehen und wie sie richtig miteinander kommunizieren können.“
Das fehlende Material und die mangelnden Erfolge sind nicht die einzigen Faktoren, die die Moral der russischen Soldaten untergraben. Auch die Kommunikation und Vorbereitung im Vorfeld sorgt für Frust unter den Truppen. Große Teile der russischen Armee bestünden aus schlecht ausgebildeten, sehr jungen Soldaten, bemerkte ein hochrangiger Pentagon-Mitarbeiter gegenüber der New York Times am Dienstag (01.03.22) nach dem Einmarsch Russlands.
Viele der russischen Soldaten sollen vor der Invasion nicht über den anstehenden Krieg informiert worden sein, nimmt der Militärexperte Nicholas Laidlaw an. Etwa die Hälfte der russischen Truppen sei von einer Übung ausgegangen. Erst auf dem Weg Richtung Ukraine habe man sie eingeweiht und direkt bewaffnet in die Schlacht geschickt. „Offenbar waren nicht alle umfassend ausgebildet oder sich überhaupt im Klaren, dass sie in den Kampf geschickt werden“, wird ein US-Regierungsvertreter von US-Medien zitiert.













