Tana French: „Der Sucher“– Zugezogen in Ardnakelty
Frankfurter Rundschau
Tana Frenchs Roman „Der Sucher“ ist nicht nur ein Krimi, sondern erzählt auch vom Fremdsein in der irischen Provinz.
Von ihrem ganz eigenen Spannungsliteratur-Ast aus blickt die 1973 in den USA geborene, in Dublin lebende Tana French auf die Welt. Seit ihrem vor knapp 15 Jahren erschienenen Erstling verschmäht sie die handlungsgetriebene Geschichte. Vielmehr spinnt sie feine psychologische Fäden, schaut gleichsam durch die Lupe auf die Befindlichkeiten ihrer Figuren – und umgibt diese doch auch mit Geheimnissen. Manchmal meint die Leserin, aus dem Augenwinkel etwas wahrnehmen zu können. Aber ehe Gewissheit entsteht, ist der Text schon weitergehuscht zu neuen Rätseln.
French ruht sich auch nicht auf einmal erdachtem Personal aus, schreibt keine Serien, schiebt an den Rand, wer bereits im Mittelpunkt stand. Vermutlich werden wir also von Calvin Hooper, einem mittelalten, allenfalls mittelinteressanten Ex-Cop aus Chicago, einem Fremden im Westen Irlands, nie wieder lesen, auch wenn die Geschichte durchaus weitergehen könnte. Cal ist in einem doppelten Sinn der „Sucher“ des Titels (Orig. „The Searcher“, 2020): Nicht nur sucht er nach einem Neuanfang in seinem Leben – seine Frau hat sich scheiden lassen, seinen Job hat er aufgegeben und in Irland ein altes Haus gekauft. Er lässt sich auch nach längerer Weigerung dazu überreden, nach einem jungen Mann zu fragen, der spurlos verschwunden ist. Trey, jüngeres Geschwister des Verschwundenen und ein wildes, verwildertes Kind, bittet ihn darum und kann verflixt penetrant sein. Außerdem kann es einem leid tun: Der Vater hat die Familie sitzengelassen, die Mutter kommt kaum über die Runden. So dass Cal Hooper Trey auch regelmäßig etwas zu Essen macht.
Cal beobachtet die Krähen, die sich immer auf einem Baum vor seinem Haus versammeln. Cal geht ins Pub und zum Einkaufen. Cal renoviert und spürt von der Schufterei seinen Rücken. Cal überlegt, ob er sich einen Hund anschaffen soll. Tana French liebt die detailreichen Alltagsbeschreibungen, nutzt sie als retardierendes Element. Und beherrscht die Kunst, dies nicht langweilig werden zu lassen.