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"Schrödingers Russland zeigt, wie ernst die Lage ist"

"Schrödingers Russland zeigt, wie ernst die Lage ist"

n-tv
Monday, February 05, 2024 03:18:10 PM UTC

Videos in sozialen Netzwerken zeigen, dass Russland unter erheblichen Verlusten von Menschen und Material an mindestens neun Stellen der Front vorrücken konnte, sagt Oberst Markus Reisner im wöchentlichen Interview mit ntv.de. Vor allem bei Awdijiwka spitze sich die Situation für die ukrainischen Streitkräfte gefährlich zu. "Die an die Ukraine bis jetzt gelieferten westlichen Waffensysteme sind zwar von hoher Qualität", so Reisner. "Aber in einem Zermürbungs- und Abnützungskrieg spielt nicht Qualität, sondern vor allem Quantität eine Rolle."

Das Bild, das der Westen sich von Russland macht, vergleicht Reisner mit dem Gedankenexperiment "Schrödingers Katze": "Einerseits hören wir, dass die russischen Streitkräfte völlig dilettantisch agieren, hohe Verluste haben und ihre Rüstungsindustrie massiv unter den Sanktionen leidet, während man andererseits fürchtet, dass es bald zu vor allem hybriden Angriffen Russlands auf Europa kommt."

ntv.de: Es gibt schon länger Spannungen zwischen Präsident Wolodymyr Selenskyj und Armee-Oberbefehlshaber Walerij Saluschnyj, die Entlassung des Generals ist offenbar nur eine Frage der Zeit. Ist es eine gute Idee, mitten im Krieg den Befehlshaber der Armee auszuwechseln?

Markus Reisner: Wir erleben hier etwas, dass in der Kriegsgeschichte nicht neu ist. Das Schicksal hoher Militärführer ist unweigerlich mit ihren Erfolgen verknüpft. Im Falle von General Saluschnyj zeigten sich die ersten Risse bei der russischen Belagerung von Bachmut. Präsident Selenskyj bestand darauf, dass nach den Erfolgen von Charkiw und Cherson "kein Meter ukrainischen Bodens mehr hergegeben werden darf". General Saluschnyj schätzte die Lage realistischer ein und wollte eine Abnützung ukrainischer Eliteverbände in Bachmut verhindern. Heute wissen wir, dass der Kampf um Bachmut den Russen Zeit verschaffte, ihre Verteidigungsstellungen bei Saporischschja auszubauen. Dies führte schließlich zum Scheitern der ukrainischen Sommeroffensive. Dieses Scheitern schob die ukrainische politische Führung, also Präsident Selenskyj, der militärischen, also General Saluschnyj, in die Schuhe. Als General Saluschnyj in einem aufsehenerregenden Text versuchte, eine Erklärung für das Scheitern zu liefern, und dabei die Mängel in den militärischen Fähigkeiten der Ukraine offenlegte, dürfte das Verhältnis zu Präsident Selenskyj endgültig zerrissen worden sein.

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